Der alternative Energiedienstleister Green City Energy, einst als Tochter der Münchener Umweltschutzorganisation Green City e.V. gegründet, wird zehn Jahre alt. Das Unternehmen ist mittlerweile eine AG mit zweistelligem Millionenumsatz. Seit Anfang 2014 ist Vorstand Jens Mühlhaus Mitherausgeber von klimaretter.info. Zum Jubliäum erläutern Mühlhaus sowie Mitherausgeberin Claudia Kemfert ihre Sicht auf die aktuelle Energiepolitik und den Stand der Energiewende. Kemfert, Chefin der Energieabteilung des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, hat Ende März bei der Auftaktveranstaltung von Green City Energy zum Zehnjährigen in München die Laudatio gehalten.
Marco Eisenack: Herr Mühlhaus, Sie haben sich als Herausgeber bei klimaretter.info in eine Riege von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft eingebracht. Was hat Sie dazu motiviert?
Jens Mühlhaus: Mein Engagement entspringt unserem Handlungsauftrag, die Energiewende Wirklichkeit werden zu lassen und dabei die Menschen mitzunehmen. Energiewende bedeutet für uns nicht nur den Einsatz für Rendite oder für Windanlagen hier oder dort, sondern es geht immer um das „große Ganze“. Am Ende ist der Satzungszweck der Umweltorganisation Green City e.V. auch für uns als Tochtergesellschaft bindend: Klimaschutz durch CO2-Einsparung. Das erreichen wir nicht nur mit dem Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch durch Information. Wir dürfen nicht vergessen, dass eine gut informierte Öffentlichkeit unser wichtigster Verbündeter ist. Da ist das Portal klimaretter.info so etabliert und breit aufgestellt, dass es für uns eine Ehre ist, dort mitwirken zu können.
Im Grunde sind Sie ja längst ein großes Unternehmen, das auch Gewinne erwirtschaften muss. Was unterscheidet Green City Energy denn von anderen Energiekonzernen?
Mühlhaus: Also, von Energiekonzernen allerhand. Wir sind zunächst ein Projektierer. Wir bauen die Anlagen. Das heißt, wir treiben die Energiewende über den Erneuerbaren-Zubau voran. Zubau ist das Stichwort, das jetzt noch mal ganz wichtig wird. Wir sind ein Antreiber dabei. Das Besondere an uns aber ist, das wir die gesamte Kette bearbeiten: Wir fangen mit der Idee und mit der klassischen Projektentwicklung an, bauen die Anlagen, finanzieren sie, geben sie in die Bürgerbeteiligung – also in ein kleinteiliges Investment, das Menschen auch über das Eigentum einbezieht – und wir betreiben die Anlagen. Im Jahr 2020 kommt der erste Solarpark, den wir damals noch zu Vereinszeiten begonnen haben, in die Phase, in der die EEG-Förderung ausgelaufen sein wird. Dann sind also wieder neue Aufgaben zu bewältigen.
Frau Kemfert, Sie sind ebenfalls Herausgeberin bei klimaretter.info. Sie werfen den Medien immer wieder vor, dass sie die Begriffe „Strompreiserhöhung“ und „EEG“ so lange miteinander verknüpft hätten, dass am Schluss sogar die Kanzlerin daran geglaubt habe. Wie sehen Sie, mit Blick auf den Stand der Energiewende, den Zustand der Medien?
Claudia Kemfert: Die Medien verbreiten Informationen, die von vielen Beteiligten kommen. Es gibt viele Interessengruppen in der Energiewende, die sehr heterogen sind. Die PR-Kampagnen derjenigen, die die Energiewende zwar im Munde führen, aber nicht wirklich unterstützen, sind allerdings deutlich schlagkräftiger als von denjenigen, die sie unterstützen. All die Kampagnen, die immer wieder vor der Energiewende warnen, die sich sehr negativ darüber äußern, Mythen verbreiten und die erneuerbaren Energien als Sündenbock deklarieren, die sind sehr laut.Die Medien verbreiten diese Äußerungen, sie sind das Portal dafür. Umso wichtiger ist es, dass es eine breite Medienvielfalt gibt, mit verschiedenen Stimmen, die nicht nur den Warnern und Bedenkenträgern zuhören, sondern viel, viel differenzierter berichten, auch über die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende. Das vermisse ich manchmal ein bisschen.
Nicht nur die Energiewende soll in einer Krise stecken, auch von einer Medienkrise ist die Rede. Haben Sie das Gefühl, dass dadurch auch die Defizite in den Redaktionen deutlicher hervortreten?
Kemfert: Ich denke, dass die Kampagnen der Energiewende-Gegner lauter und zahlkräftiger geworden sind. Die Medien sind das Organ, aber ich schließe mich nicht einer grundsätzlichen negativen Medienschelte an. Sondern ich werbe dafür, einfach differenzierter zu arbeiten. Viele Medien können das noch, gerade die öffentlich-rechtlichen, die auch noch das Budget dafür haben. Aber die großen Kampagnen, auch von den PR-Agenturen, sind eben die zahlkräftigen, und die durchdringen die Medienlandschaft sehr viel intensiver.
Es gibt ja verschiedene Energiewende-Mythen, die durch solche Kampagnen verbreitet werden. Was lässt Sie verzweifeln, wenn Sie es in den Medien lesen?
Mühlhaus: Ach, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.
Das jüngste Beispiel vielleicht?
Mühlhaus: Nun, wir haben natürlich einen bayerischen Blick auf den Energiesektor, und da weiß man überhaupt nicht, was man noch sagen soll. Wenn man der CSU zuhört, wollen wir in Bayern ja scheinbar gar nichts mehr – außer Gaskraftwerke. Keine Windräder, keine Trassen, keinen Solarboom – so wird das dargestellt. Das ist befremdlich. Dabei hat McKinsey gerade eine sehr schöne Studie veröffentlicht, die Bayern ins Gewissen schreibt, man solle doch möglichst die Energiewende anpacken, statt sie auszubremsen. Das war ein klarer Hinweis, der in der Medienberichterstattung nicht so deutlich übermittelt wurde, wie er in der McKinsey-Studie drinsteht. Bayern ist auf dem Holzweg und verliert den Anschluss an die Zukunft. Das ist es, was McKinsey sagt.
Erschütternd ist tatsächlich auch die Strompreiskampagne gewesen. Das war wohl das Deutlichste und Perfideste, auch wegen der Länge. Die Kampagne hat 2010 angefangen und sich bis nach der Bundestagswahl 2013 hingezogen. Erneuerbare Energien erhöhen den Strompreis – das und die Mythen drum herum waren anstrengend für uns und haben viel kaputt gemacht. Da haben wir es auch nicht verstanden, klar genug gegenzuhalten, weil wir ja immer differenziert argumentieren.
Aber ich glaube, jetzt verlagert sich das Spielfeld deutlich hin zu den Themen Kapazitäts- und Energy-only-Märkte. Interessanterweise müssen jetzt die Marktteilnehmer miteinander ringen und es geht nicht gegen die Energiewende-Menschen. Die beiden Themen haben auch mit dem EEG wenig zu tun. Das wird jetzt eine spannende Phase.
Bei der Energiewende versuchen jetzt auch Konzerne wie Eon den Einstieg. Welche Situation entsteht da für alternative Anbieter wie Green City Energy?
Mühlhaus: Noch passiert nicht viel, weil die großen Tanker erst langsam, vielleicht zu langsam am Umsteuern sind. In ihren Büchern steht schon geschrieben, dass sie Solaranlagen bauen wollen, aber sie schaffen es noch nicht. Ich glaube aber tatsächlich, wenn die gut geschliffenen und gut geölten Konzernstrukturen, eventuell auch gepaart mit finanzieller Schlagkraft, ins Geschäft einsteigen, kann das mit entsprechenden Lobbyismus – Stichwort Ausschreibungsverfahren – kompliziert für uns werden. Auf der anderen Seite sage ich: Wir „Kleinen“ sind immer schneller und man muss sich halt auch als Mittelständer so aufstellen, dass man die Sache vorantreibt. Und wir treiben an, das ist unsere Aufgabe.
Welche Zukunft sehen Sie für Green City Energy?
Kemfert: Eine sehr positive, und habe mich gefreut, auch öffentlich gratulieren zu können. Volkswirtschaftlich können wir messen, dass die Energiewende von unten kommt. Es sind Akteure wie Green City Energy, die aus der Bürgerbewegung kommen und schon sehr früh begonnen haben, die Energiewende praktisch umzusetzen.
Gerade die Energiewende von unten, die von den sogenannten Mutbürgern und innovativen Unternehmen getragen wird, droht aber in Mitleidenschaft gezogen zu werden durch die verschiedenen Änderungen, die man einführen will, beispielsweise die Ausschreibungen. Damit verkompliziert man die Rahmenbedingungen. Bei falscher Konzeption kann es zu Nachteilen kommen, gerade für kleinere und auch für mittelständische Unternehmen und für Bürgerenergiegenossenschaften. Es ist allerdings möglich, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass es keine Diskriminierungen gibt. Das wäre wünschenswert.
Der Wettbewerb ist eröffnet und insofern sind alle willkommen, die sich daran beteiligen wollen. Eon hat beispielsweise angekündigt, sein Geschäftsmodell stärker auf erneuerbare Energien umzustellen. Der Konzern hat international Erfahrungen mit Erneuerbaren gesammelt und will jetzt auch in Deutschland mitmischen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, weil man bisher die Energiewende in Deutschland eher schlechtgeredet und ausgebremst hat. Wir werden Eon am Erfolg messen müssen. Der Konzern ist extrem spät dran, der Zug ist schon ziemlich weit weggefahren, und da will man jetzt noch irgendwie hinterherhechten. Ich finde es aber eine kluge Entscheidung, denn die wirtschaftlichen Chancen sind groß.
Mühlhaus: Die Energiewende selbst ist ja erst mal keine Frage der Unternehmensgröße. Es kann nur gut sein, wenn überall in Richtung Zukunft gedacht wird. Denn wir haben ja noch ein gutes Stück vor uns. Wir sind in Deutschland bei den Kapazitäten, die wir mit Wind und Solar geschafft haben, bei einem Drittel von dem, wo wir hinmüssen. Hundert Prozent Erneuerbare sind schließlich das Ziel. Es wird noch gewaltige Anstrengungen brauchen, um die Ausbauziele für 2020 und 2030 zu schaffen. Es gibt viele Fälle, wo man auch eine große Kraft braucht, um die Ziele zu erfüllen. Nicht alles können wir mit Bürgerenergie machen.
Was wünschen Sie sich von der Politik, damit die Ausbauziele auch erreicht werden?
Mühlhaus: Wenn die Politik wirklich das größte Augenmerk darauf richtet, regionale und dezentrale Initiativen zu fördern, dann wünsche ich mir, dass sie den Genossenschaften und ähnlichen Playern einen Zugang ermöglicht zur Projektierung und zum Kleinanleger-Geschäft – denn das wird ja torpediert. Das kann einen großen Schub bringen. Wir müssen es schaffen, regionale Versorgungsstrukturen aufzubauen. Das hat viel mit Solarenergie zu tun. Und da muss man die Schleusen ein bisschen öffnen.
In Bayern muss natürlich die absurde und unrechtmäßige Abstandsregelung „10 H“ bei der Windenergie zu Fall gebracht werden. Sie ist unsinnig und widerspricht jeglichem Ausbauziel. Kurz gesagt: Ich wünsche mir verlässliche Rahmenbedingungen und eine aufrichtige, zukunftsorientierte Energiepolitik. So wie viele andere auch.
Welches Werkzeug ist zum Öffnen der Schleusen für die regionalen Ökoenergien am wirksamsten?
Mühlhaus: Das muss ein Bündel von Werkzeugen sein. Das eine ist natürlich der Kapitalmarkt. Hier geht es darum, dass man Kleinanlegern wieder den Zugang zu den Energiewende-Projekten ermöglicht. Da ist zuletzt mit der Klarstellung zu den Genossenschaften wieder ein Türchen aufgegangen. Das ist sehr positiv. Zum anderen warten wir alle auf die regionale Ökostromvermarktung, also auf die Nachfolgeregelung zum Grünstromprivileg.
Die Frage ist auch: Wie wird das EEG weiterentwickelt und wie bekommen wir den sanften Übergang von einer Förderpolitik in eine Marktintegration so hin, dass die Kleinen nicht abgehängt werden? Wir dürfen die Entwicklung auf der lokalen Ebene nicht abwürgen, sonst wird ein Riesenbruch entstehen. Den können die Großen niemals ausgleichen. Wind- und Solarenergie funktionieren über die örtliche Initiative. Genau das ist seit zehn Jahren unser Handlungsauftrag: Mitzuhelfen, Sonne und Wind zu den neuen Leitenergien zu machen.
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