Die Sonne scheint auf jedes Dach

Die steigenden Energiepreise und der andauernde technische Fortschritt regenerativer Energien machen es immer attraktiver auf Ökostrom umzusteigen. Wir haben den Journalisten und Deutscher Solarpreisträger Franz Alt über die Selbstproduktion von Strom durch Solarenergie und die Investitionschancen in Bereichen der Photovoltaik befragt.

 

Herr Alt, Sie beschäftigen sich intensiv mit den Möglichkeiten, die Privatleute haben, um Strom selber zu produzieren. Für die Münchner: Welche Methoden bieten sich denn hier in der Stadt an?

 

Jedes Dach. Die Sonne scheint in München auf jedes Dach; Sie können überall Strom produzieren. Und wer kein eigenes Haus hat, kann sich an einer Gemeinschaftsanlage beteiligen. Ich bin sicher, München könnte den Großteil seines Stroms komplett aus Photovoltaik beziehen.

Die alte Energie wird immer teurer, die erneuerbare Energie wird immer preiswerter, weil wir durch Massenproduktion der Technik die Kosten ganz stark reduzieren konnten. Wer das nicht macht, ist selber schuld und verschenkt Geld.

 

Wer kein Dach besitzt, hat ja auch die Möglichkeit, Ökostrom von kommunalen Anbietern oder von Energieunternehmen zu kaufen. Ist dieser Ökostrom vertrauenswürdig?

 

Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom. Die ganz großen Anbieter bieten meist die alte Wasserkraft an. Da werden keine regenerativen Kraftwerke zugebaut. Bei den großen deutschen Ökostromanbietern kann man dagegen sicher sein, dass wirklich zusätzlich für meinen Stromverbrauch auch ein neues Kraftwerk zugebaut wird. Beispiele sind die Schönauer Stromrebellen, Naturstrom oder Greenpeace Energy. Bei der alten Energiewirtschaft wäre ich da immer sehr skeptisch.

 

Wenn ich Platz für eine eigene Solaranlage habe, kann ich Strom für meinen eigenen Haushalt produzieren oder Strom ins Energienetz einspeisen. Wie funktioniert das konkret?

 

Da gibt es verschiedenen Möglichkeiten: Sie können alles an den Stromanbieter verkaufen, Sie können einen Teil selbst verbrauchen oder Sie können alles selbst verbrauchen. Wenn Sie alles selbst verbrauchen, brauchen sie natürlich eine Batterie im Keller, um für die Nacht zu speichern.

Wenn ich mir heute eine Solaranlage auf’s Dach bauen würde, würde ich persönlich weitestgehend auf Selbstverbrauch setzen. Man bekommt heute schon für 8-9000 Euro eine Batterie.

Sie können heute in München, wenn Sie ein günstig nach Süden oder Südwesten ausgerichtetes Dach haben, Strom für 12 bis 15 ct/kWh produzieren. Und wenn sie den Strom aus der Steckdose nehmen, zahlen Sie 25, 26, 28 ct. Der selbst erzeugte Strom kostet also nur halb so viel. Da lohnt sich auch die Investition in eine Batterie. Im Einzelfall sollte man für die Berechnung einen Fachmann zu Rate ziehen. Für die Umwelt ist Selbstverbrauch natürlich sofort ein Gewinn.

 

Hängt der günstigere Preis damit zusammen, dass die Technik mittlerweile günstiger geworden ist?

 

Richtig. Wir haben vor 20 Jahren für unsere Solaranlagen noch das sechs- bis achtfache dessen bezahlt, was man heute bezahlt. Und dann ist das Einspeisen natürlich günstiger, weil man für die Einspeisung mehr Geld bekommt. Heute würde ich das anders machen und möglichst viel selbst verbrauchen….

Wichtig ist, sich zu überlegen, wie stark der alte Energiepreis in den nächsten 15, 20 Jahren steigen wird. Pro Jahr werden das 4 bis 5 Prozent sein. Und dann stimmen alle aktuellen Berechnungen nicht mehr! Es wird dann sofort günstiger, auf Öko umzusteigen, weil hier die Kosten weiter sinken werden und auch keine Folgekosten entstehen. 1988 kostete eine kWh Solarstrom umgerechnet einen Euro. Heute sind es 12 bis 15 ct. In zehn Jahren werden es 5 bis 7 ct sein – unschlagbar preiswert. Und der alte Strom wird nahezu 50 % mehr kosten als heute.

 

Sie haben kürzlich ein Interview für die Kundenzeitschrift der Stadtwerke München gegeben. Darin haben Sie die Stadtwerke gelobt, weil sie vorhaben, bis 2025 den Strom für ganz München aus regenerativen Energien zu gewinnen. Manch ein Münchner, der sich hier in Bürgersolaranlagen engagieren will, spürt allerdings Gegenwind von den Stadtwerken, weil dort zentrale Lösungen bevorzugt werden.

Die Pressestelle der Stadtwerke sagt dazu: „Bei den SWM ist keine direkte Beteiligungsmöglichkeit für einzelne Privatleute geplant. Denn da wir ein kommunales Unternehmen sind, soll der Erfolg unserer Anlagen allen Münchner Bürgern zu Gute kommen, und nicht nur einzelnen.“ Haben Sie von diesem Konflikt schon gehört?

 

Ja, davon habe ich gehört und einige Münchner haben sich deshalb auch bei mir beschwert. Richtig ist: In kleinerem Umfang haben die Stadtwerke München schon lange in Solaranlagen, Wasserkraftwerke und Biogasanlagen investiert. Es wäre natürlich ein Vorteil, wenn auch Bürgerinnen und Bürger in erneuerbare Kraftwerke der Stadtwerke investieren könnten, denn viele Bürger haben diesen Wunsch, wenn sie keine eigenen Häuser haben. Anderswo laden die Stadtwerke die Bürgerinnen und Bürger geradezu dazu ein. Warum nicht auch in München?

 

Wie können den Stromanbieter einzelne Bürger oder Initiativen besser unterstützen?

 

Viele Städte stellen gemeinsam mit den Stadtwerken alle öffentlichen Gebäude zur Verfügung, um darauf Solaranlagen zu bauen. Bürgerinnen und Bürger, die kein eigenes Haus haben, können dort investieren. Das machen viele – auch kleine – Kommunen heute schon….In München könnte man das auch machen.

 

Wird es denn dann aus Ihrer Sicht möglich sein, den Energiebedarf, den wir in Zukunft haben werden – für elektronische Geräte, für Mobilität – komplett zu decken? Oder werden wir vielleicht lernen müssen, uns in puncto Energieverbrauch einzuschränken? Internet nur noch von 9 bis 17 Uhr, zum Beispiel?

 

Ich glaube, im Heizungsbereich ist am meisten zu sparen. Wir werden in den nächsten 50 Jahren 80 bis 90 Prozent unserer Heizenergie einsparen; das ist der größte Energieverbrauchsbrocken, nicht die Elektrizität! Häuser besser abdichten, ökologisch bauen – das alles bedeutet, dass wir im Heizungsbereich die größten Einsparmöglichkeiten haben.

Der zweitgrößte Energiefresser ist der Verkehr. Wir können im Bereich Verkehr 60 bis 80 Prozent des heutigen Energieverbrauchs einsparen. Mit mehr öffentlichem Verkehr muss niemand auf etwas verzichten. Ich habe selbst kein Auto mehr, und ich habe 200 Vorträge im Jahr, europa- und weltweit. Ich fahre fast nur Bahn und fliege nur im Ausnahmefall. 98 % meiner Wege mache ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und mir fehlt überhaupt nichts.

Im Strombereich haben wir immer mehr elektrische Geräte. Ich glaube nicht, dass im Strombereich viel eingespart werden kann. Wir werden auch hier effizientere Geräte bekommen. Aber da ein Teil der Wärme in Zukunft aus elektrischer Energie kommen wird, und wir Elektroautos fahren werden, glaube ich nicht, dass im Strombereich insgesamt viel eingespart werden kann. Und das macht auch gar nichts. Mit intelligenten Stromnetzen können wir bis zu 300, 400 % mehr Strom produzieren, als wir verbrauchen. Es wird uns an nichts fehlen. Wir müssen es nur intelligenter machen, als heute. Und dann ist es auch umweltfreundlich.

Das Interview führte Iris Volk.
Fotocredit: Bigi Alt 

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