Fäkalien verpesten unsere Isar

Bei starkem Regen leitet München sein Abwasser in die Isar. Wer sich nach den Unwettern der letzten Wochen an der Isar sonnt, darf sich nicht über Klopapierreste wundern. Ein Münchner Stadtrat will das ändern!

„Bei jedem stärkeren Regenguss läuft Abwasser in die Isar“

ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff erklärt im Interview mit Grün&Gloria wo er die erheblichen Mängel im Abwassersystem der Stadt München sieht.

München wird in einem Mischsystem entwässert. Regenwasser und Abwasser aus Industrie und Haushalten laufen in einem gemeinsamen Kanalsystem in die Kläranlage. Stärkere Regengüsse führen so sehr schnell dazu, dass die Kanäle überlaufen. Dann sollten im Regelfall Rückhaltebecken verhindern, dass die Abwässer sofort in die Isar laufen – aber insbesondere im Nordosten der Stadt gibt es laut Ruff vielerorts gar keine, „sodass einige Kanalsysteme hier mehr als 20 mal im Jahr überlaufen“, kritisiert Ruff. Die Abwässer fließen dann ungefiltert in die Isar, nicht einmal ein Gitter würde gröbsten Schmutz wie Klopapierfetzen abfangen, ärgert sich der Stadtrat.

Falsche Standards

Dass es auch anders geht, sieht man an der Mittleren Isar im Norden von München. Hier wurden die Rückhaltevolumen so weit ausgebaut, dass nur noch selten Abwasser in natürliche Gewässer gelangt. Viele der Anlagen im Nordosten hingegen erfüllten laut Ruff aktuell nicht einmal die Mindeststandards, wonach 15 Liter pro Sekunde und Hektar fallen dürften, also etwa die Menge eines großen Eimers.

Diese Anlagen müssten zwar bis 2018 saniert werden, was das Problem jedoch langfristig nicht ausreichend löse. Ruff fordert, gerade hinsichtlich der immer häufiger auftretenden Wetterextreme, dass in einer Großstadt wie München „weitergehende Anforderungen“ an die Kanalisation gestellt werden müssten. Es sei möglich, die Systeme so auszurüsten, dass sie nur überlaufen, wenn 30 Liter pro Sekunde und Hektar fielen. Der Ausbau der Kanäle und Rückhalte Becken würde die Stadt jedoch Milliarden kosten, räumt Ruff ein.

Eine weitere wichtige Maßnahme sei es, die Versiegelung des Bodens zu verringern. Gebäude, Straßen und andere asphaltierte Flächen verhindern, das Versickern des Regenwassers. Doch nicht einmal auf der Theresienwiese sei die Stadt bereit gewesen, dies ausreichend anzuerkennen, schildert Ruff.

Das Ökosystem gerät aus dem Gleichgewicht

Dabei sind die Folgen der häufigen Nährstoffzufuhr in die Isar erheblich: Algen können vermehrt wachsen, sodass der, im Isarwasser gelöste Sauerstoff, aufgebraucht wird und anderen Lebewesen fehlt. Die Lebensgemeinschaft im Fluss gerät aus dem Gleichgewicht. Während die meisten Schwimmfische dem Abwasserfluss recht gut entkommen können, tragen die Folgen besonders die Fischbrut und Grundfische, wie beispielsweise, die geschützte Mühlkoppe. Auch der Makrozoobenthos, kleinste wirbellose Lebewesen, die ebenfalls am Grund der Isar leben, hat unter den Folgen zu leiden. Der Zustand der Population habe sich bereits nachweislich verschlechtert, so Ruff weiter.

Münchner Stadtentwässerung weist Kritik vehement zurück 

Die Münchner Stadtentwässerung sieht sich zu Unrecht in der Kritik. „Wir würden uns wünschen, dass unsere Leistung mehr wertgeschätzt wird“, so Dr. Bernhard Böhm, Betriebsleiter bei der Münchner Stadtentwässerung. „Unsere Systeme erfüllen bereits jetzt die zukünftigen Anforderungen des Wasserrechts.“ Die aktuellen Sanierungsmaßnahmen geschehen in erster Linie aus dem freiwilligen Antrieb der Stadtentwässerung, noch besser zu sein als gefordert.

Das Münchener Mischsystem existiere bereits seit über 150 Jahren, unter jeder Straße liege ein Kanal, so Böhm weiter. Ein flächendeckender Umbau sei also vollkommen ausgeschlossen, aber schon jetzt erreiche München mit seinem Mischsystem sensationell niedrige Zahlen. Gerade einmal zweieinhalb Prozent der Abwässer flössen direkt in die Isar. Zahlen von denen beispielsweise Nordrhein-Westfalen, wo Mischsysteme sehr verbreitet sind, nur träumen könne. Die Wasserqualität sei auf alle Fälle von diesen minimalen Mengen keinesfalls entscheidend beeinflusst.

Zudem handelt es sich für Böhm um eine Güterabwägung: Die Bürger müssen entscheiden ob sie bei starkem Regen lieber ihre Viertel unter Wasser sehen oder ob eben ein wenig Abwasser in die Isar eingeleitet wird. „Die Antwort können wir uns wohl alle denken!“

Fotos: Tobias Ruff

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