Gastbeitrag zum Artikel „Stadt plant Gastrobetrieb in Kopfbau“ im Münchner Merkur

Warum verwundert mich diese Schlagzeile „Stadt plant Gastrobetrieb in Kopfbau“ im Münchner Merkur vom vergangenen Montag, 05.10.2015, jetzt erst einmal überhaupt nicht mehr?

Es könnte daran liegen, dass ich als Münchner Stadtbürger die Stadtverwaltung meiner immer noch gut überschaubaren Heimatstadt regelmäßig als SOZIALEN ORGANISMUS der gestressten Voll-TischlerInnen erlebe, die in einem (solcherart ganz natürlich sich so ergebenden) 10-Jahres-Rhythmus denken – und da wirkt dieses aktuelle Fallbeispiel am östlichen Stadtrand geradezu exemplarisch:

Da hatten zur BUNDESGARTENSCHAU 2005 PERSPEKTIVENWECHSEL schon zum Ende hin einige (freche) BürgerInnen gefordert, dass zumindest die Gastronomie im Tribünen-Kopfbau auch für die Zeit nach der BUGA erhalten bleiben sollte. Daraufhin reagierte die Münchner Stadtverwaltung (zusammen mit der Münchner Stadtpolitik im Rathaus) umgehend mit einem gut vorbereiteten Abwehrreflex, denn die BUGA-Verträge sahen einen vollständigen Abbau bzw. Rückbau aller temporären Einrichtungen innerhalb des Landschaftsparks der Messestadt Riem vor. Aus der wissenden Erfahrung mit der IGA 1983 im Westpark und dem damaligen bürgerschaftlichen Gezerre um die liebgewonnenen Tempelanlagen, exotischen Traum-Gärten und die Bayerwald-Hütte war der BUGA-Vertrag absolut wasserdicht und unanfechtbar konstruiert worden.

Selbstverständlich gab es dann in den Folgejahren nach der BUGA immer noch BürgerInnen mit entsprechenden Bürgerversammlungs-Wünschen zur gastronomischen/kulturellen/sozialen Wiederbelebung des Tribünenkopfbaus in der Messestadt Riem und daraufhin pflegte die Münchner Stadtverwaltung das traditionelle Verantwortungs-Ping-Pong zwischen den verschiedenen, damit möglicherweise befassten Referaten. So etwas zieht sich dann freilich in zeitliche Längen.

In diesen bürokratischen Zwischen-Jahren wuchsen wieder neue Bäume auf den Treppen der Besuchertribüne, für deren Entfernung es zur BUGA noch ein gut gefülltes Schaufenster-Budget gegeben hatte. Für die regelmäßigen Nachpflege-Arbeiten ab 2006 waren dann jedoch keine Mittel mehr vorhanden – so konnten die Baumwurzeln ihr schon einmal begonnenes Zersetzungs-Werk in den brüchigen Fugen der Tribünen-Steine wieder fortsetzen. Die temporären Zwischennutzungen im Tribünenkopfbau waren aber selbst für super-willige Münchner Event-Gastromen zu aufwändig, und wenn ein unbeheiztes Gebäude mehrere Winter hindurch feuchtelt und obendrauf wachsen die Bäume mit ihren Wurzeln ungehindert durch die Decke des Tribünen-Bauwerks, dann wird solch ein Baudenkmal schnell marode. Die frühere Stadtbaurätin Prof. Christiane Thalgott hätte dieses alte Nazi-Bauwerk – wie übrigens auch die Wappenhalle und den Tower – gerne abgerissen gesehen.

(Jetzt müssen wir die ehemalige Besucher-Tribüne des Riemer Flughafens entweder erhalten oder kontrolliert verfallen lassen. So einfach könn(t)en also Entscheidungen sein und so schwierig gestaltet sich dann dabei aber der praktische Umgang mit der Bürgerbeteiligung.)

Wenn also nach zehn Jahren die Münchner Stadtverwaltung die bürgerschaftlichen Ideen von 2005 zur Gastronomie im Kopfbau der vormaligen Flughafen-Tribüne als eigene Gedanken entdeckt hat, gibt es leider auch ein erhebliches Verzögerungs-Zeit-Problem: Nun leben direkt nebendran Menschen als neue Messestadt-BewohnerInnen, die für ihre Eigentumswohnungen stolze Preise für’s „ruhige Wohnen am Rand des Landschaftsparks“ bezahlt haben und die jetzt mit der Zukunfts-Perspektive eines gut besuchten Sommer-Biergartens vor ihren West-Balkonen vielleicht nicht so ganz glücklich sein werden. Hätte es aber schon seit 2006 eine dauerhafte Gastronomie-Bespielung dort am Rand der Messestadt Riem gegeben, wären die äußeren (nachbarschaftlichen) Rahmenbedingungen für die neuen Stadtteil-BewohnerInnen dort sehr deutlich sichtbar gewesen.

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Eine Sache gibt es hierbei noch, die mich dann doch etwas unglücklich stimmt: KNIKKEBEINEN RAVENS

Wie es im RIS-Dokument Nr. 2058186 vom 08.07.2010 nachzulesen ist, gab es für die Fortsetzung von KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM ein mehr oder weniger finales Projekt, das dann mit dem Entwurf KNIKKEBEINEN RAVENS des belgischen Künstlers PANAMERENKO eine große Windbewegungs-Installation hätte geben sollen, deren praktische bauliche Umsetzung in der mitunter sehr windig-stürmischen Landschaft im Münchner Osten zu großen technischen Schwierigkeiten führte. Letztendlich verabschiedete sich PANAMERENKO von diesem Gestaltungs-Auftrag, der noch gar nicht fest unterschrieben war – was die Münchner Stadtverwaltung plötzlich vor das Problem stellte, gut 700.000,- Euro im Messestadt-Topf KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM zu haben, die dort eigentlich aufgebraucht werden mussten, damit die Kunst-Begleitung in der Messestadt Riem endlich abgeschlossen werden konnte.
Das Problem der vollen Schreibtische…

Mit dem RIS-Dokument Nr. 2989360 vom 20.06.2013 wurde dann eine quasi zauberhafte Nachfolge-Lösung dokumentiert, zu der einige der von mir befragten Mitglieder des Münchner Stadtrates leider gar nicht sagen konnten, wie eine solche Vorlage des Kulturreferats von ihnen gelesen und wohl auch so beschlossen worden war. Vor allem die Stadtratsvorlagen unmittelbar vor den Sitzungsferien (Ostern, Pfingsten, Sommer und Weihnachten/Neujahr) sind in ihren zahlenmäßigen Umfängen eigentlich auch von keinem Menschen mehr lesbar und verständlich nachzuvollziehen. Das Problem der vollen Schreibtische…

Jetzt müssen also demnächst gut 700.000,- Euro für KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM in der Messestadt Riem verbaut und verbraucht werden, was nun in der zeitlichen Verbindung mit der Stadtverwaltungs-Erkenntnis, endlich etwas am Tribünenkopfbau machen zu müssen, ganz zufällig – oder eben auch nicht – proaktiv aufeinander zuläuft. Als Bürger dieser immer noch sehr übersichtlichen Stadt kenne ich „meine“ Stadtverwaltung zwischenzeitlich nur zu gut und kann daher unbeabsichtigte Zufälle eigentlich ausschließen.

Fotocredit: Flickr/Thomas Wojcik

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