Alle Großstädte unserer Welt – so verschiedenartig sie im Einzelnen auch sein mögen – haben in ihrer Gesamtstruktur Gemeinsamkeiten: Den Markt- und Geschäftsbereich, den historischen Stadtkern, die Ansammlung von Behörden und Ämtern, das Arme-Leute-Viertel, die Neubaugebiete, den Bahnhofsbereich … und natürlich auch ihre gated communities.
Stadtplanern, Architekten, Bauunternehmern und Soziologen sind gated communities ein geläufiger Begriff. Aber was besagt er? Community steht für Gemeinde, Gemeinschaft, Gemeinsamkeit – das ist klar. Die gated community dagegen ist betont abgeriegelt, gesichert, verschlossen. Sie ist das für Außenstehende verriegelte Wohnquartier für wohlhabende, miteinander harmonisierende Eigentümer, auch für Arztpraxen, Firmensitze, Anwaltskanzleien … Außenstehende Besucher, Kunden, Gäste, auch Freunde der Bewohner haben nur eine Zutrittschance, von den Portiers oder Sicherheitskräften überhaupt eingelassen zu werden, wenn sie sich legitimieren, eine Einladung oder eine Geschäftsbeziehung nachweisen können.
Gated communities, so heißt es wörtlich in einem Fachblatt für Mieter, „sind der extreme Ausdruck der sozialen Abgrenzung einer kleinen Bevölkerungsgruppe gegenüber dem städtischen Umfeld. Sie widersprechen der Idee der Stadt als offenes, demokratisches, sozial integrierendes Gemeinwesen. Gerade in Zeiten zunehmender Verdichtung geht der Allgemeinheit damit öffentlicher Raum verloren. Im Extremfall können sich in gated communities isolierte Parallelgesellschaften herausbilden…“ Jedenfalls sind sie ein Beleg für die ständig stärker werdende Tendenz zu sozial homogenen Wohnbereichen.
Entstanden sind die eigens zum „vermeintlichen“ Schutz der Besserverdienenden gebildeten Stadt- Enklaven seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, just zu der Zeit, als der preußische Stadtplaner James Hobrecht das Ideal vom „empfehlenswerten Durcheinanderwohnen“ formulierte, das bis dahin (1868) den Städtebau dominiert hatte.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Großstädten ist gerade in München das Phänomen gated community nicht sonderlich ausgeprägt und verbreitet. Als Gesamtkomplex konzipierte, in sich harmonisch abgerundete Areale wie etwa die Fünf Höfe oder der Herzogpark fügen sich noch am ehesten in die Definition des vom übrigen Stadtbereich isolierten oder zumindest abgehobenen Gebäudebereichs. Doch sind sie für den Bürger jederzeit zugänglich und passierbar, also alles andere als das strenge gated.
Auffallend deutlich ins Definitionsbild passen die schon vollendeten und bereits genutzten Lenbach-Gärten im Herzen der Stadt. Das ist der gleichermaßen vielgestaltige wie homogene Neubaukomplex auf dem Geländetriangel zwischen Luisenstraße, Karlstraße und der gekrümmten Sophienstraße. Die einheitlich in Marmorweiß gehaltenen, vielfältig geschichteten und gestapelten Wohnwürfel zeigen zu den Straßenseiten hin nichts als Fensterfronten. In die wohltuend stillen Passagen, die längs und quer durch den Komplex führen, ragen dagegen die Balkone und Terrassen der Wohneinheiten.
Zum längst schon bewirtschafteten Bereich gehört mit seinem halbrunden Erkervorbau „The Charles Hotel“, das zur Gastronomie-Kette Rocco Forte gehört. Dieser Teil ist nach Süden zum Hauptbahnhof hin orientiert. Eine Ecke weiter, an der Karl-/ Luisenstraße sitzt ein Fachgeschäft für Edeldelikatessen mit dem freundlichen Namen „Hans im Glück“.
Ein Stück weiter, an einer mit Springbrunnen geschmückten, zur Karlstraße hin geöffneten Einbuchtung wartet das Speiserestaurant „Gour meats“ auf Gäste.
Zu den von außen kenntlich gemachten, bereits dort etablierten Unternehmen gehören unter anderen ein Immobilien-Unternehmen mit dem programmatisch anmutenden Namen „Lebensraum Concept“ sowie die Unternehmensberatung der McKinsey- Company.
Die begrünten Passagen durch den Gebäudekomplex sind zwar meistens menschenleer, dürfen aber auch von Außenstehenden jederzeit begangen werden. Doch jeder Versuch, ganz beiläufig in die community einzutreten, ist aussichtslos. „Personalpapiere bitte!“ heißt es am Zugang streng. „Zu wem wollen Sie denn??“ Die durchaus höflichen Sicherheitsleute sind da eisern. Selbst Personen, die tagein tagaus dort beschäftigt sind oder berufliche Dauerbeziehungen zu einem der bereits ansässigen Unternehmen haben, sollen sich gefälligst mit ihrem Personal-Code identifizieren. Also doch – sozusagen im klassischen Sinne – gated.
Foto: Münchner-Forum
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