Gehäkelte Streetart – heute 12 Uhr für alle

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Stricken ist nicht nur was für Omas mit grauer Dauerwelle. Die Studentinnen Sissi und Hermine widmen sich unter dem Namen «Rausfrauen» der Straßenkunst mit Nadel und Faden. Heute um 12 Uhr, zum Auftakt des 5. Münchner Klimaherbstes, wird am Marienplatz das bisher größte grüne Netz gestrickt. Aber wer sind diese Menschen, die das öffentliche Stricken zu Ihrem Auftrag erklärt haben.

Gestrickte Blümchen und bunte Muster machen sich nicht nur auf Omas Couch gut. Auch an öffentlichen Orten sorgen Strickwaren für Gemütlichkeit. Mit Nadeln, Stoffen und Wolle möchten Sissi und Hermine* (* Künstlernamen – ihre echten Namen möchten die Rausfrauen lieber nicht in der Zeitung lesen) unser München ein Stückchen
heimeliger machen. In Nacht-und-Näh-Aktionen befestigen sie Vorhänge an U-Bahnfenstern, bekleiden Statuen mit Strickmode, verzieren Brunnen mit Wollbömmeln und schaffen mit allerlei Kleinigkeiten mehr Behaglichkeit in der Stadt.

Immer öfter trifft man im Stadtbild auf gestrickte Kleinigkeiten – wie kleine Schals für fremde Fahrräder oder geschmackvolle Straßenschildschoner mit aparter Schreibschrift. Die Strick-und-Faden-Guerilla treibt seit Juni 2011 ihr Kurzwaren-Unwesen in den Straßen Münchens. Meist ziehen sie dazu nachts und in den frühen Morgenstunden durch die menschenleeren Straßen. Die Idee kam Sissi in einem Altenheim. Dort fertigen die Bewohnerinnen in liebevoller Kleinstarbeit wundervolle Kunstwerke, die jedoch kaum jemand zu Gesicht bekommt.

Sissi staunt, über die alten Techniken, die diese Frauen beherrschen. Die alten Damen zaubern mit ihren Stricknadeln Dinge, wozu junge Leute wohl kaum noch fähig sind.

Als „Rausfrauen“ wollen Sissi und Hermine mit einer Strick-Aktionsgruppe deshalb nicht nur die Stadt verschönern, sondern zugleich die Aufmerksamkeit auf das Aussterben der alten Handarbeit lenken. Sissi ist der Meinung, dass Handarbeit nicht nur eine Sache für Großmütter ist. Sonst würde das Handwerk eines Tages wohl aussterben. Schade drum: „Stoff und Wolle bieten viele Möglichkeiten“, so Sissi. „Man kann Gebilde damit bauen und viel daraus machen. Da sollten alle mitmachen, Mädels wie Jungs. Denn die strickfreudigen Omas haben viele Fähigkeiten, die sie weitergeben können.

Vielleicht, so hofft Sissi, geline es ihr, auch andere Jugendliche dafür zu begeistern. Die skurrile Strickerei am Straßenrand hat auch einen gesellschaftskritischen Hintergrund. In Zeiten der Gentrifizierung und der Kommerzialisierung der Städte soll die Frage gestellt werden: Wer darf eigentlich den öffentlichen Raum gestalten. Sollte dazu nicht jeder einen Teil beitragen können? Brunnen, U-Bahnen und andere Dinge werden von Sissi und Hermine „liebevoll verziert“ – beschädigt werde dabei nichts.

Die beiden finden es einfach schade um eine Statue, wenn täglich hunderte von Menschen vorbeigehen, ohne auf das Kunstwerk zu achten. Wenn so eine Skulptur jedoch einen pinken Bikini aus Wolle trägt und Haarschmuck, zieht das die Blicke an.

Die Rausfrauen engagieren sich auch beim „Grünen Faden“, der Mitmach-Aktion von klimaherbst.de und Greencity. Damit sollen Menschen durch Aktionen im öffentlichen, wie auch im virtuellen Raum zu mehr Umweltschutz animiert werden. Die Rausfrauen verteilen in der ganzen Stadt den „Grünen Faden Award“ in Form von kleinen gehäkelten Fahrrad-Goodies für umweltbewusste Verkehrsteilnahme.

Hier noch ein paar Eindrücker der Arbeit der jungen Damen:


Effektive Emmissionsverhütung. Der kleine Überzieher für den Auspuff …

Autos werden nicht nur von außen aufgehübscht. Auch im Innenraum sehen die Rausfrauen Handlungsbedarf .

Reclam-Büchlein, Tischdeckchen und Knopfaugenkuscheltier – die neue mobile Münchner Gemütlichkeit.

Schneeketten ermöglichen das Fahren im Schnee, Grünfäden verhindern das Fahren im Stadtverkehr.

Und wenn die Karre lang genug steht, haben wir auch gleich einen tollen Lebensraum für Großstadtspinnen geschaffen.

Trautes Stromkästchen – Stadtverschönerung DIY 2011

Kunst vor der Kunsthalle.

Buch, Blumen und Blümchendecke – konsensfähige Stadtverschönerung trifft Graffitti.

Das Porträt über die Rausfrauen wurde geschrieben  mucs-Autorin Franziska Inngauer, 22, Studentin.

Mehr Fotos findet ihr im neuen mucs Magazin

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