Geschäftsführer Michael Löhr von „tiramizoo.com“ im Interview

Wer mit „local delivery 2.0“ nichts anfangen kann, der hat ganz klar einen Trend verpennt. Der Dienstleister Tiramizoo schreibt sich genau diesen Trend auf ihre Fahne, wenn sie nicht schon längst als Mitbegründer dieser Entwicklung gezählt werden dürfen. Zeitersparnis, CO2 – Verminderung, Nachhaltigkeit und Lifestyle sind Schlagwörter die das Geschäftsmodell charakterisieren! Was genau das Münchner Start-up-Unternehmen macht und welche Vision dahinter steht, erklärte uns der CEO Michael Löhr im Gespräch.

Klimaherbst: Wenn ich jetzt „tiramizoo.com“ salopp als Suchmaschine für Kurierdienste beschreiben würde, würdest du mir da Recht geben?

Michael Löhr: Ich würde einen Schritt weitergehen. Wir nennen es eine Buchungsplattform. Im Prinzip könnte ich ja über Google auch Adressen und Firmenprofile herausfinden. Also ist es kein Suchportal, sondern eher ein Buchportal, denn ich kann Kuriere finden und sofort buchen. Ähnlich wie „Hotel.de“ für die Kurierbranche. Was ja auch die Innovation des ganzen Projektes ist.

Klimaherbst: Welche Rolle spielt der ökologische Ansatz bei „tiramizoo.com“? Hat der dieser Ansatz bei der Planung eine Rolle gespielt?

Michael Löhr: Es war tatsächlich der Grundgedanke bei der Planung. Auf Grund meines Hintergrundes, aus der Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung in der Automobilbranche, hatte ich schon immer Interesse daran, dass meine Aufgaben ökologisch sinnvoll sind. Ich bin irgendwie schon immer mit Thema Verkehr in Berührung gewesen. Irgendwann bin ich mit der Kurierbranche in Kontakt gekommen. Da hab ich mir gedacht: „Wow, da bewegen Leute große Massen, denn das Fahrzeuggewicht ist 20, 30, 40 mal höher, als das Gewicht des zu transportierenden Gutes. Wenn sie diese Fahrten effizienter gestalten würden, dann bräuchten wir weniger Autos“. Das Problem ist, dass man sehr viel Masse bewegt um Leute und Produkte von A nach B zu bekommen. Das ist eigentlich Schwachsinn. Das müsste optimiert werden. Das ist ein großes Problem, das mag ich an Verkehr nicht, es ist nicht effizient genug. Darum ist das Fahrrad so toll, du musst nur wenig Masse bewegen. Da dachte ich mir dann, was kannst du dagegen tun? Natürlich, man muss immer noch an Elektromotoren und anderen Antriebstechnologien forschen, das ist aber erstens recht kostspielig und zweitens will ich ja einen sofortigen Einfluss auf den Verkehr haben, um dann wirklich Energie zu sparen. Daher die Idee einer Kurierplattform.

Klimaherbst: Ist das Geschäftsmodell zukunftsfähig?

Michael Löhr: Wir denken, dass langfristig der Bedarf an lokalen und umweltfreundlichen Lieferlösungen noch stark ansteigen wird. Wir gehen davon aus, dass auf der einen Seite Kunden mittelfristig Lieferungsmöglichkeiten am gleichen Tag erwarten und auf der anderen Seite gleichzeitig aufgrund steigender Spritkosten und Verkehrsprobleme Besorgungsfahrten mit dem eigenen Auto einfach immer unattraktiver werden. Dies gilt übrigens nicht nur für Großstädte sondern auch für ländliche Gebiete.

Klimaherbst: Ein Slogan auf ihrer Homepage lautet „Schnell – günstig – umweltfreundlich“. Wie funktioniert das genau?

Michael Löhr: Leider sind wir noch nicht so weit. Grundidee soll sein, dass sich der Kunde entscheiden kann worauf er seine Priorität legt. Im Idealfall erfüllt eine Kurierfahrt ja alle drei Kriterien. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. In der Zukunft soll der Kunde auf unserer Homepage eingeben was er von wo nach wohin geliefert werden soll. Mit Hilfe von GPS – Sendern wird dem Kunden angezeigt welche Kuriere ihm zur Verfügung stehen. Zudem hat er Zugriff auf Preis-, Umwelt- und Lieferinformationen. Nun kann man sich entscheiden, was einem wichtig ist. Nachhaltige Lieferung, zeitnahe Lieferung oder kostengünstige Lieferung. Die tiramizoo.com-Webseite ist aber nur eine Möglichkeit über unser Portal Stadtkuriere zu finden und zu buchen. Z.Zt. schaffen wir Schnittstellen zu lokalen Onlineshops, bei denen dann der Kunde neben den üblichen Liefermöglichkeiten auch eine umweltfreundliche Sofortlieferung wählen kann. Dann verläuft der Datenaustausch mit uns in Echtzeit und ohne Mehraufwand für den Kunden.

Klimaherbst: Du denkst also, die Verbraucher sind bereit für nachhaltige Produkte und deren Lieferung mehr Geld auszugeben?

Michael Löhr: Bei Produkten ist dies ja schon seit Jahren der Fall. Warum also auch nicht bei deren Lieferung? Wir sprechen ja hierbei nicht von Unsummen. Ich denke viele haben ein gutes Gefühl wenn Sie auf so einfachen Weg etwas für die Umwelt tun können. Das Schöne daran ist ja auch, dass das Ganze so bequem ist. Ich leiste quasi passiv meinen Beitrag, ohne sonderlich an Geld oder Zeit zu verlieren. Es ist aber auch so, dass Studien zeigen, dass wenn die Auslastung von Stadtkurieren steigt, werden auch die Kosten für die einzelne Lieferung ein sehr attraktives Niveau erreichen werden. Die Grüne Wahl muss dan nicht unbedingt teurer sein.

Klimaherbst: Es ist eine Kooperation mit lokalen Geschäftsleuten geplant. Was genau schwebt euch denn da vor?

Michael Löhr: Wir wollen ganz gezielt lokale Einzelhändler in unser Geschäftsmodell einbinden. Viele sehen das Internet nicht nur als Preiskampfmaschine. Ich glaube die Meisten die im Internet einkaufen, tun das auch aus Bequemlichkeit. Bisher dauert der Versand ja immer einige Tage, aber oft kann und will man ja auch nicht auf seine Ware warten. Hier schlägt die Stunde des lokalen Einzelhändlers. Wir wollen das in Amerika aufstrebende „Clicks and Bricks – Modell“ für lokale Geschäfte interessant machen. Die räumliche Nähe spielt dabei eine große Rolle. Wie in jeder Branche auch, muss das Produkt ja zu dem Kunden gebracht werden. Ist doch großartig wenn das gewünschte Produkt schon kurze Zeit später beim Käufer landet. Die Zeit, die der Kunde sich hierbei einspart, kann er wieder sinnvoll irgendwo anders investieren, beispielsweise mehr Zeit mit den Kindern verbringen oder samstags Sport treiben und eben nicht in die Stadt zum Einkaufen.

Klimaherbst: Zeit für eine Prognose – Wie siehst du „tiramizoo.com“ in 15 Jahren?

Michael Löhr: Oh, in 15 Jahren. Da würde ich mir wünschen, dass wir eine Plattform sind, die sehr viele Kurierunternehmen flächendeckend vernetzt und von Nutzern als echter Problemlöser gesehen wird. Als ein Service, der Spaß macht und sinnvoll ist. Bis dahin wollen wir auf jeden Fall auch  dünn besiedelte Gebiete abdecken. Es wäre doch großartig, wenn insbesondere ältere Mitbürger ihre Einkäufe auch Online abdecken können. Das erspart ihnen den, oftmals mühseligen, Weg zu den Supermärkten. Vielleicht können wir auch wirklich einen Beitrag zur Verminderung des Verkehrs in der Stadt leisten. Wenn uns das gelänge, dann hätten wir schon viel erreicht.

Klimaherbst: Als du damals deinen Bekannten das erste Mal von „tiramizoo.com“ erzählt hast, welche Aussage bekamst du am häufigsten zu hören?

Michael Löhr: Die waren eigentlich alle begeistert von der Idee. Besonders diejenigen, die sich die Zeit nahmen mit mir zwei Stunden darüber zu diskutieren, bestärkten mich in meinem Vorhaben. Eigentlich reagierte nur die Kurierbranche etwas distanziert.

Klimaherbst: Also hatte die Branche die deine Idee betrifft Zweifel an dem Geschäftsmodell?

Michael Löhr: Ja, so kann man das sagen. Es ist halt etwas Neues und damit tun sich fest etablierte Branchen immer schwer. Es gibt ja berechtigte Gründe weshalb Innovationen in diesem Sektor eher rar gesät sind. Es gab immer mal Versuche die Kurierunternehmen untereinander zu vernetzen, jedoch ging die Initiative immer nur von einigen Unternehmen selbst aus. Das konnte nicht klappen, da die Unternehmen untereinander ja im Wettbewerb stehen und Firma A gönnt der Firma B nur ungern mehr Erfolg, oder anders herum. Es bedurfte eine neutrale Instanz die sozusagen als Mediator fungierte. Die Branche ist aber zum sehr grossen Teil unserem Geschäftsmodell  wirklich zugeneigt. Sie erkennen, dass das eigentlich nur Vorteile für sie und ihre Kunden mit sich bringt.

Klimaherbst: Erhält tiramizoo.com staatliche Subventionen oder Unterstützung von der Stadt München?

Michael Löhr: Wir werden mit einem kleinen Betrag gefördert durch das ESA-BIC, das Business-Inkubationsprogramm der ESA (European Space Angency). Auch die Bayerische Wirtschaftsförderung unterstützt dieses Programm. Daneben sind wir sehr froh, dass wir vor kurzem eine Finanzierungsrunde mit dem High-Tech-Gründerfonds in Bonn und Bayern Kapital in Landshut schließen konnten.

Klimaherbst: Welches kurzfristiges Ziel soll als nächstes Ziel verwirklicht werden?

Michael Löhr: Wie für wohl jedes Start-up ist es für uns zunächst wichtig die Marktakzeptanz unseres Konzeptes zu demonstrieren. D.h. wir freuen uns über jeden Kurier, jede Kurierfirma und jeden Kunden, der sich auf tiramizoo.com registriert und somit grundsätzlich Interesse für unsere Plattform bekundet. Wir haben bereits täglich Buchungen in München, Berlin und Vancouver über tiramizoo, was bedeutet unser Service wird auf jeden Fall angenommen. In den nächsten Tagen beenden wir die technische Integration einiger neuer Großkunden im München. Dann wird sich zeigen, wie Leistungsfähig unser Konzept ist und was noch viel wichtiger ist, dass wir wirklich mehr und neues Business für die Stadtkuriere akquirieren um eben für eine bessere Auslastung bei den Fahrten zu sorgen.

Fotos: Michael Löhr

3 Kommentare zu “Geschäftsführer Michael Löhr von „tiramizoo.com“ im Interview”

  1. Sehr geehrter Herr Berger,
    ich wurde auf Ihren Kommentar hier aufmerksam gemacht. Dazu möchte ich einige Dinge richtig stellen.

    Wir sind nicht ein selbsternanntes Ökosystem sondern haben darüber geschrieben(http://www.iceventure.de/info/startup-oekosystem-was-ist-das-usa-eu-deutschland-und-berlin-in-der-uebersicht.html), nachdem ich mich seit 10 Jahren mit Innovationsökosystemen und Start-ups als Teil davon in mehreren Ländern (z.B. DE/IT/IS/AT) in Projekten beschäftige.

    Richtig ist, das ich an einem eigenen transregionalen Wettbewerb und White Lable Tool idea!tailors im Bereich ideation als Initiator beteiligt bin.

    Richtig ist, dass auch ich eine Einschätzung zu uber (http://www.iceventure.de/blog/start-up/digitale-disruption-die-innovation-und-das-geschaeftsmodell-von-uber-im-fokus.html und hier http://www.iceventure.de/blog/start-up/das-verbot-von-uber-in-deutschland-ist-gerechtfertigt.html publiziert habe

    Aus diesen drei Fakten, auf die Sie anscheinend gestoßen sind, aber einen Bezug und eine Unterstützung zu dem SmartCamp Award 2014 oder dem Gewinner Tiramizoo abzuleiten ist völlig abwegig.

    Ich stelle dazu fest: Iceventure hat den SmartCamp Award 2014 nicht unterstütz oder war daran beteiligt. Das ist nicht richtig.

    Mit freundlichen Grüßen

    Arnbjörn Eggerz
    Iceventure

  2. Ich bin geschockt, dass ein Unternehmen wie Tiramizoo den SmartCamp Award 2014 gewinnen konnte, der ausgerechnet von einem selbsternannten Startup-Ökosystem bzw. konkret von Iceventure unterstützt wird. Insidervorwurf: Tiramizoo vermittelt ausschließlich defizitäre Einzelfahrten zu Lasten der Umwelt und auf Kosten der Fahrer. Es wird weder auf Nachhaltigkeit noch auf Datenschutz im Sinne der Kunden oder der Auftraggeber wert gelegt. Mit frei erfundenen Angaben zu Kunden, Mitarbeitern und Partnern wird hier ein rosa Ballon aufgeblasen der bereits vor einem Jahr geplatzt ist. Hat bei IBM keiner den Knall in der Cloud gehört? Hätte man das Seifenblasensystem Same-Day-Delivery in der Höhle der Löwen auf Vox vorgestellt wäre nach weniger als drei Minuten Schluss mit dem Zirkus gewesen. Ganzer Leserbrief hier: ( http://tinyurl.com/oxf3qwm ).

    J. Berger http://www.samedaydelivery.today
    samedaydelivery.today@gmail.com

  3. […] Geschäftsführer Michael Löhr von „tiramizoo.com“ im Interview mit Klimaherbst.de. […]

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