MORE THAN HONEY

Herr Imhoof, beim Münchner Klimaherbst im Oktober wird „More than Honey“ als deutsche Vorpremiere aufgeführt. Das ist Ihr neuer Dokumentarfilm, für den Sie fünf Jahre lang rund um die Welt gereist sind und Bienen beobachtet und begleitet haben. Klingt nach einem honigsüßen Filmvergnügen?

> Markus Imhoof:
Honigsüß und bitter. Denn mein Film zeigt zwar in sehr schönen Bildern, wie die Bienen leben und sich bewegen – ein Viertel des Films besteht aus Makroaufnahmen und Slowmotion-Sequenzen, bei denen man in das Innere eines Bienenstocks gelangt oder die Begattung einer Königin in vollem Flug miterleben kann. Ganz neue und mit modernster Technik gemachte Aufnahmen. Aber es geht auch um das Bienensterben – das die Bienen und damit auch den Menschen bedroht.

Den Menschen?

Albert Einstein soll ja schon gesagt haben: ‚Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus.‘ Und da ist schon einiges
dran. Die Bienen bestäuben nicht nur Blumen, sondern auch einen Großteil unserer Nahrungspflanzen. Nehmen wir doch nur mal einen stinknormalen Hamburger. Ohne Biene hätte er keinen Salat, keine Tomaten, keinen Ketchup und kein Fleisch von Kühen, die nie Klee auf den Wiesen gefressen hätten. Nur ein trockenes Brötchen würde übrig bleiben. Alles Bunte und Duftende wird von Insekten bestäubt, alles Trockene und Unscheinbare vom Wind. Die Vielfalt unserer Natur ist ein Verdienst der Insekten – und da insbesondere der Bienen. Das wissen die meisten Menschen jedoch nicht.

Und das soll Ihr Film ändern?

Ich hoffe, dass mein Film bei den Zuschauern einen tieferen, emotionalen Bezug zu den Bienen herstellt, aber auch Empörung auslöst. Schließlich geht es um die Frage: Gehört der Mensch zur Natur, oder ist er ein höheres Wesen, das über allem steht.

Wie lautet Ihre Antwort darauf?

Der Mensch ist Teil der Natur und sollte sich einordnen. Doch der Mensch ist rücksichtslos und beutet die Erde aus. Es geht nicht darum, jetzt einen
Schuldigen zu suchen und an die Wand zu stellen. Die Bienen sterben nun schon seit Jahren in Massen – in Nordamerika, Europa und Asien. Besonders in China. Da klettern bereits Arbeiter in Bäume und bestäuben die Blüten von Hand, werden zu zweibeinigen Bienen. Die Imker sagen, für das Sterben seien die Insektizide, Elektrosmog und die generelle Umweltverschmutzung verantwortlich. Die Agroindustrie hat die eingeschleppte Varroamilbe als Wurzel des Übels ausgemacht. Doch genau diese Schuldzuweisungen führen zu nichts. Es ist die Summe von allem. Wir sind es.

Wie kann das massive Bienensterben gestoppt werden?

Ein guter Parasit bringt seinen Wirt nicht um. Wir brauchen eine Symbiose zwischen Mensch und Natur. Denn wir sind eben nur ein Teil der Natur, des großen Ganzen. Uns gehört die Welt nicht allein. Ein gutes Zusammenspiel, wie bei einem Orchester, ist dringend erforderlich. Und da kommt es nicht nur darauf an, dass jeder Einzelne ein guter Musiker ist. Viel wichtiger ist, dass jeder auf den anderen achtet und hört, sich selbst nicht so wichtig nimmt und einfach der schönen Musik lauscht, die dabei herauskommt.

Können wir da nicht auch viel von den Bienen lernen?

Auf jeden Fall. Bienen haben eine ungeheure Schwarmintelligenz. Sie sind nicht nur sehr fleißig, sie verhalten sich sehr sozial, handeln sogar weitsichtig.
Ein Bienenvolk wird auch nicht von einer Königin regiert, wie viele meinen. Sie ist zwar die Mutter aller Bienen. Wenn die Kinder allerdings davon überzeugt sind, dass sie eine neue Königin brauchen, muss die Alte den Bienenstock verlassen. Die Gemeinschaft steht über allem.

Dieser Gemeinschaftssinn fehlt uns?

Der Mensch kann ein sehr egoistisches und kurzsichtiges Geschöpf sein, von Individiualimus und Gier getrieben. Wir vergessen nur dabei, dass der
Mensch am Ende oft das schwächste Glied der Kette ist. Das verdeutlicht auch der Film: So wurde in einem Labor in Brasilien eine Kreuzung aus
afrikanischen und europäischen Bienen gezüchtet. Das Experiment geriet jedoch außer Kontrolle. Die so entstandenen „Killerbienen“ gelangten in
Freiheit, verdrängten die friedliebende Honigbiene. Sie beherrschen seitdem große Teile Südamerikas und sind bereits in Nordamerika angekommen.

Die Eingriffe des Menschen in die Evolution enden einmal mehr im Chaos.

Genau.Und die Natur bahnt sich einmal mehr ihren Weg. Die „Killerbienen“ sind nämlich die einzigen, die nicht krank werden. Und sie machen mehr Honig. Sie erlauben dem Menschen allerdings seine Arroganz nicht, greifen bei einer Bedrohung in Schwärmen an und wehren sich.

Hat sich Ihr Verhältnis zu Bienen durch den Film verändert?

Durch meinen Großvater, der Imker war und über 150 Bienenvölker in seinem großen Garten hatte, habe ich seit meiner Kindheit einen engen Bezug zu Bienen. Außerdem leitet meine Tochter gemeinsam mit ihrem Mann in Australien ein Forschungsprojekt mit Bienen. Wir scheinen eine Bienen-Familie zu sein. Durch den Film sind mir die kleinen Wundertiere noch lieber geworden. Auch wenn sie mich während der Dreharbeiten oft gestochen haben. Aber das ist ganz normal, wir sind ihnen ja auch sehr nahe gekommen. Mein Kameramann hat die meisten Stiche abbekommen.

Mögen Sie eigentlich Honig?

Sehr gerne. Allerdings achte ich darauf, wo er herkommt. Bei Bio-Honig schmeckt man einfach, dass der Honig von sauberen, duftenden Wiesen und Bäumen kommt. Dann ist er wie ein Frühlingsspaziergang im Mund.

Interview: Sebastian Schulke ; Fotos : Senator Entertainment AG

21. Oktober 2012
„More than Honey“
Wie unser Leben vom Überleben der Bienen abhängt,
Filmvorpremiere
11.00 bis 13.00 Uhr; Eintritt frei, Arri-Kino, Türkenstraße 91

Filmtipp
More than Honey
In Asien, Europa und Nordamerika sterben seit Jahren massenhaft Bienen. Die Imker sagen, für das Sterben seien die Insektizide, Elektrosmog und die generelle Umweltverschmutzung verantwortlich. Die Agroindustrie hat die eingeschleppte Varroamilbe als Wurzel des Übels ausgemacht. Doch genau diese Schuldzuweisungen führen zu nichts, meint Markus Imhoof, der mit „More than Honey“ einen Dokumentarfilm über das Leben und die Bedeutung der Bienen kreiert hat. Ein Film, der tiefe und einzigartige Einblicke in die Welt der Bienen offenbart, durch deren Bestäubung mehr als ein Drittel unserer Nahrungsmittel überhaupt erst gedeihen und entstehen. „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus“, hat Albert Einstein bereits gesagt. Und so handelt dieser Film nicht nur vom Leben der Bienen, sondern auch vom Kampf ums Überleben.

More than Honey / 2012
Schweiz, Deutschland, Österreich
Regie: Markus Imhoof
Eine Produktion von: zero one film, allegro film, Thelma Film und OIrmenis Film, In Koproduktion mit: SRF Schweizer Radio und Fernsehen, dem SRG SSR und dem Bayrischen Rundfunk
Kinostart: 8. November 2012
Verleih: Senator Film Verleih
Länge: 91 Minuten
„More than Honey“ Senator Entertainment

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