Münchner Altstadt autofrei

Ökologischer Stadtumbau-Cover

„Autos raus aus der Altstadt!“ Mit dieser Schlagzeile wartete die Münchner Abendzeitung am 22. April auf. „Dort sollen nur noch Anwohner und Versorger fahren dürfen“. Wer sagt so etwas? Nicht irgendwer, sondern die Münchner Stadtbaurätin, Frau Merk. Im Innern des Blattes legte sie in einem Interview dar, wie das gemeint ist: Münchens Weiterentwicklung, gerade wenn es um weitere Wohnsiedlungsflächen für all jene geht, die in den nächsten Jahren voraussichtlich nach München ziehen werden, hängt davon ab, wie die Fragen der Mobilität gelöst werden.

Dabei ist die Verkehrsfrage „auf allen Ebenen“ die Schlüsselfrage: Der Autoverkehr gehört prinzipiell eingeschränkt. Insbesondere dort, wo er in starker Konkurrenz zu anderen Nutzungen steht, also in der Altstadt: „Ich vertrete da eher eine radikale Haltung: Innerhalb der Altstadt darf keiner mehr reinfahren“, sagte die Stadtbaurätin der Zeitung. Nur noch Anwohner und Versorger. Das bedeute planrrisch: Mehr Rad- und Fußwege, Fahrradparkhäuser, aber auch neue Minibus-Angebote für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen.

In der Tat ist es nicht einzusehen, warum die Innenstadt für den allgemeinen Autoverkehr weiterhin zugänglich sein soll. An allen vier Seiten und in der Mitte der Altstadt sind ÖPNV-Ein- und Ausstiege. Am Isartor halten alle S-Bahnen, ebenso am Stachus, wo zusätzlich die U 4/5 verfügbar ist. Im Norden ist der Odeonsplatz der Halte- und Kreuzungspunkt der U-Bahnen 3 und 6 mit der U 4/5, im Süden am Sendlinger Tor bieten die U 3 und 6 sowie die U 1 und 2 Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten. Und die Mitte, der Marienplatz, wo der Modal split zugunsten des ÖPNVs fast nicht mehr zu steigern ist, wird von den U-Bahnen 3/6 sowie allen S-Bahn-Linien des MVV-Netzes angesteuert. Zusätzlich tangieren mehrere Buslinien den Viktualienmarkt, den Rindermarkt und den Marienplatz. Mehr ÖPNV in der Altstadt geht kaum … Wenn man dann, insbesondere an den Wochenenden, sich in der Altstadt ergeht und dabei die Drei-Buchstaben-Nummernschilder der Einkaufs-Panzer studiert, bekommt man allerdings den Eindruck, dass es sich immer noch nicht bis ins Voralpen- und Münchner Umland herumgesprochen hat, dass Marienplatz und Viktualienmarkt keine Abstellflächen für die Fahruntersätze der Besserverdienenden bieten. Also, Frau Merk ist zuzustimmen: Die Altstadt ohne Autos ist möglich und nötig – und zwar je eher desto besser.

Apropos: eher. Ihr Gedanke, die Altstadt vom Autoverkehr zu befreien und die ÖPNV sowie Fußund Radlverkehr weiter zu stärken, könnte schon Wirklichkeit sein, wenn, ja wenn man die Vorschläge des Münchner Forums, die schon seit Jahrzehnten vorgetragen und seit fast einem Vierteljahrhundert auch nachzulesen sind, ernst genommen hätte. Karl Klühspies, einer der Mitbegründer des Münchner Forums Ende der 1960er Jahre und unermüdlicher Anmahner eines ökologischen Stadtumbau Münchens, hat die Befreiung der Altstadt vom Autoverkehr immer wieder propagiert und zusammengestellt, welche verkehrsplanerischen und baulichen Maßnahmen damit verbunden sind. Detailliert nachgewiesen, wie das im Einzelnen möglich ist, hat er dies unter anderem in der Broschüre „Gedanken zur Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans München“, die das Münchner Forum im Jahre 1991 als Heft 8 seiner Reihe „Argumente und Kommentare“ veröffentlichte. Nicht nur das: Er referierte seine Ideen für die Innenstadt und den Verkehrsumbau auch in der Öffentlichkeit, etwa vor Gremien jener Partei, die damals die größte Stadtratsfraktion stellte. Die Reaktionen darauf damals – null.

Sagen wir es so: Gute Ideen brauchen in ihrer politischen und administrativen Verarbeitung eben etwas länger, da ist ein Vierteljahrhundert dann schnell mal vorbei. Das Münchner Forum verzichtet im Übrigen gerne auf die Urheberschaft des Vorschlags einer autofreien Altstadt – wenn er denn nun endlich umgesetzt wird.

Fotos: Münchner-Forum

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