München entdecken: Ein Spaziergang durch Bogenhausen

Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. (J. W. v. Goethe) Goethe war gefühlt schon überall. Ob er seinem eigenen Satz deshalb zugestimmt hätte, wissen wir bei diesem Reisefreund nicht. Anita und Imre von den Münchner Machbarn haben sich seinen Satz jedoch zu Herzen genommen und entdecken mit euch die verborgenen Ecken Münchens.

Viele suchen das Glück in der Ferne, dabei hat München selbst interessante und schöne Ecken zu bieten. In Anlehnung an den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe haben wir uns auf eine Reise durch München begeben. Ob diese Reise vergleichbar mit der „Italienreise“ des Meisters der Dichtkunst ist? Ein wenig vielleicht. Schon Thomas Mann hat bemerkt, dass „München leuchtet“, und dass München die nördlichste Stadt Italiens ist, wissen wir schon lange.

In Münchens Architektur stecken viele italienische Einflüsse, doch darf der französische nicht unterschätzt werden. Wir wollen hier niemanden verärgern. Im ursprünglichen Münchner Dialekt finden sich viele französische Wörter: Wie zum Beispiel der Paraplui oder ein Böfflamot. Mit ersterem begeben wir uns zur Sicherheit aus dem Haus, denn es ist heute doch etwas bewölkt und da kann der Regenschirm nicht schaden. Zweiterem werden wir eher nicht begegenen, da der Rinderschmorbraten dann wohl doch nicht vegetarisch ist. Aber jetzt sind wir abgeschweift, denn wir wollen ja mit euch zusammen München erkunden. Also: Los geht`s!

Los geht die Stadtour

Dieses Mal führte uns der Weg nach Bogenhausen, im Osten von München gelegen, und hier zum „Bogenhauser Friedhof“. Auch wenn ein Friedhof eher etwas abschreckendes für manche Menschen hat, wird es bei uns dann doch eher ein Vergnügen. Wir, die Spaziergänger*innen, glauben, dass die heitere Seele weiterlebt und diesem Friedhof ist die Heiterkeit auch anzusehen.

Auf diesem Friedhof könnt ihr das tun, was ihr möglicherweise schon immer tun wolltet: Sich ungehindert vielen prominenten Persönlichkeiten, die in München gelebt und gewirkt haben, nähern.

Vom Isartor am Englischen Garten vorbei zur Montgelastraße

Wir starten am Isartorplatz mit der Tram der Linie 17 in Richtung St.-Emmeram. Für sich genommen ist schon der Fahrweg ein Ereignis, führt er doch am Mariannenplatz mit der Lukaskirche vorbei. Der Liedermacher „Konstatin Wecker“ ist hier, am Mariannenplatz, aufgewachsen. Eine kleine Hörprobe gibt es hier.

Über das Maxmonument fährt die Trambahn dann am Englischen Garten entlang über die Tivolistraße zur Montgelasstraße. Hier steigen wir aus und schlendern gemächlich den „Wilhelm-Hausensteinweg“ aufwärts über den Bach zum Bogenhauser Friedhof.

Bogenhausen und die Vergangenheit

In diesem Viertel sind einige Wege und Straßennamen nach Widerstandskämpfern aus der Nazizeit benannt.Wilhelm Hausenstein war einer von ihnen: Er setzte sich für die jüdische Kultur und damit natürlich auch für das Judentum ein. Nach der Machtübernahme erzwang die Gestapo am 14. April 1933 Hausensteins fristlose Entlassung als Redaktionsmitglied der Münchner Neuesten Nachrichten. Weiterhin durfte er keine Bücher mehr veröffentlichen. Er hatte sich geweigert, moderne Werke als entartete Kunst zu bezeichnen. Wir verneigen uns vor diesem Mut.

Der Bogenhausener Friedhof

Auf der Anhöhe angekommen, sehen wir auch schon den Ort unseres Besuches und wissen sofort, warum der Bogenhauser Friedhof der berühmteste Friedhof Münchens ist! Hier ist der Platz, an dem viele prominente Münchnerinnen und Münchner unter die Erde gekommen sind. Die meisten der Gräber sind mit kunstvoll gestalteten Grabkreuzen geschmückt. Eigentlich heißt der malerische Friedhof St. Georg und besteht schon seit dem 9. Jahrhundert.

Von Helmut Dietl

Um hier zur „Ruhe zu kommen, muß Mann/Frau entweder 30 Jahre in Bogenhausen gelebt haben oder sich um München verdient gemacht haben,“ so Helmut Fischer in der Serie „Monaco Franze“ von Helmut Dietl. Dieser muss es ja gewusst haben, schließlich ist der Regisseur selbst auf dem Friedhof begraben.

In dieser Serie ist „München drin“. In seiner ganzen Vielfalt:

Zu Erich Kästner

Aber auch Erich Kästner ist hier anzutreffen. Ein Schriftsteller, der in der Nazi-Zeit im Widerstand gelebt hat. Er wurde in der Weimarer Republik mit gesellschaftskritischen Gedichten und Essays bekannt. Zu Beginn der Nazi-Diktatur war er einer der wenigen Gegner des Hitler-Regimes, die in Deutschland geblieben sind, obwohl seine Werke auf der Liste der im Mai 1933 verbrannten Bücher standen. Bei der er persönlich dabei war. Während der Jahre 1935 – 1945 hielt Kästner sich übrigens erfolgreich mit einem Pseudonym über Wasser. Er schrieb viele Kinderbücher, geprägt sind von seinem „Freigeist“ und seiner großen Liebe zu Kindern. Am bekanntesten sind wohl

das fliegende Klassenzimmer:

und das doppelte Lottchen:

Bis zu Liesl Karlstadt

Natürlich denken wir auch an die Frauen und stellen fest, daß auf dem Friedhof 46 Männer und sage und schreibe nur 4 außergewöhnliche Frauen zur Ruhe gekommen sind. Das darf doch wohl nicht wahr sein? Eine der vier Frauen ist die Liesl Karlstadt, die mit ihrem schauspielerischen Talent begeistert hat. Sie war Komikerin, Soubrette, hat mehrere Musikinstrumente gespielt und auch gesungen.

Liesl Karlstadt alias Elisabeth Wellano war Tochter eines Bäckermeisters und ist in Schwabing geboren – ein echtes „Münchner Kindl“ . Als gelernte Verkäuferin wollte sie ihre Begabungen weiter entwickeln. Es zog sie auf die Bühne. Mit 17 Jahren kam sie zu den Münchner Volkssängern und von da zur Volksbühne und zum Kabarett. Dabei fiel ihr oft der Part zu, chaotische Situationen durch gesunden Menschenverstand und weibliche Intuition aufzulösen. Liesl Karlstadt war nicht nur Partnerin von Karl Valentin, sondern auch Ideengeberin für Dialoge und Sketche wie dem „Firmling“:

Und Oskar Maria Graf

Auch an dem Grab des bayerischen Urgesteins: Oskar Maria Graf spazieren wir vorbei. In seinem Buch: „Wir sind Gefangene“ beschreibt er sehr anschaulich die Gründung der bayerischen Räterepublik, in der Kurt Eisner der erste bayerische Ministerpräsident war. Oskar Maria Graf war Sozialist. Als er am 17. Februar 1933 zu einer Vortragsreise nach Wien fuhr, war das der Beginn seines anfangs freiwilligen Exils. Nachdem er erfuhr, dass die Nazis seine Bücher als Lektüre empfahlen, veröffentlichte er am 12. Mai 1933 in der Wiener Arbeiter Zeitung den Artikel „Verbrennt mich!“:

„Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, daß meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen! (Alle anständigen Zeitungen werden um Abdruck dieses Protestes ersucht. Oskar Maria Graf.)“

Wir wollen euch aber nicht ermüden, immerhin sind wir ja schon seit zwei Stunden mit euch unterwegs. Den Rückweg findet ihr ja wohl alleine.

Wenn euch diese Form der „München Führung“ gefallen hat, freuen wir uns darauf, euch das nächste Mal wieder bei Grün & Gloria begrüßen zu dürfen: Der nächste „virtuelle“ Spaziergang wird durch das Zentrum von Schwabing sein. Dass wir uns recht verstehen: Wir meinen das Schwabing von Franziska zu Reventlow um 1900 „Schwabing ist kein Ort, Schwabing ist ein Zustand.“ Eine Zeitreise also.


Titelbild: © Chris Arthur-Collins

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