Nachhaltig leben – für Münchner leicht gemacht?

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Jeder kann Nachhaltigkeit leben. Nur wie genau funktioniert das am besten und vor allem, kann Nachhaltigkeit auch halbwegs erschwinglich sein? Wahrscheinlich haben auch Nachhaltigkeits-Anfänger beim Thema „Bewusstes Leben“ schon einmal von Ökoläden wie Grüne Erde, den verschiedenen Öko-Siegeln und Marken wie Fairphone gehört, die aber alle ihren stolzen Preis haben. Können sich also nur Großverdiener und Sich-selbst-nichts-Gönner ein nachhaltiges Leben leisten? Oder machen finanzielle Aspekte Nachhaltigkeit gerade für Studenten und andere junge Leuten zum Ding der Unmöglichkeit?

Laut Max Zeidler, VWL-Absolvent und Experte für soziale Nachhaltigkeit braucht es für ein nachhaltiges Leben zunächst nur drei Eigenschaften: einen langen Atem, Demut und Humor. Wir haben den Stadtführer von stattreisen München auf seiner neuen Tour „München wird besser – ein sozial-ökologischer Spaziergang“ begleitet.

Max Zeidler

An der Bushaltestelle Nationalmuseum/ Haus der Kunst im Lehel, von wo aus unser Spaziergang Richtung Marienplatz starten soll, treffe ich auf Zeidler und ein überschaubares Grüppchen anderer Teilnehmer. Zeidlers Tour findet erst seit kurzem und nur einige Male im Jahr statt. Außerhalb der festgelegten Termine ist er aber auch für Gruppen buchbar, wie er mir gut gelaunt erzählt.

Bevor es stadteinwärts geht, folgen wir Zeidler vorbei am Eisbach ein Stück weit in den englischen Garten hinein und er erklärt uns, wie Nachhaltigkeit entsteht: auf der einen Seite durch ökonomische, also durch wirtschaftliche Nachhaltigkeit, auf der anderen durch Umweltbewusstsein und damit ökologische Nachhaltigkeit. Doch seiner Meinung nach sei die soziale Nachhaltigkeit am wichtigsten.

„Ich biete Ihnen eine Definition von Nachhaltigkeit an, die stärker aufs Soziale guckt.“

Womit wir bei unserer ersten Station ankommen: bei Fräulein Grüneis, dem Kiosk mit Bio-Gastronomie im ehemaligen Klohäusl an der Lerchenfeldstraße. Er wird von seinen Inhabern Sandra und Henning Dürr persönlich betrieben, ist preisgünstig und trotzdem bio – und verkauft sogar regionale Produkte wie den Englischen-Garten-Honig. Außerdem empfiehlt Zeidler uns die Website mundraub.org, als wir bei einem wilden Holunder-Busch stehen bleiben. Es gäbe so viele Bäume in München, die nicht abgeerntet würden und in Wirklichkeit Allgemeingut seien – eine gute Gelegenheit, günstig an regionales Obst zu kommen und gleichzeitig nichts verderben zu lassen! Bei mundraub.org findet man diese legalen und kostenlosen Obstquellen.

Sich an großen Unternehmen zu orientieren, lohnt sich nicht

Auf regionale Vielfalt setzt auch der Münchner Bauernmarkt. Im Lehel sprechen wir mit dem Besitzer des Hofs Egeler, der uns erklärt: „Bei uns bekommt man ein Ei für 30 ct. Bei Aldi sind es ca. 25 ct. Das ist nicht viel billiger, aber für uns Bauern macht es einen großen Unterschied, ob wir auf einem Markt verkaufen oder für eine Kette produzieren.“ Natürlich, denn wenn die Bauern bei der Produktion draufzahlen statt zu verdienen, treibt sie das schnell in den Bankrott. Zu einem nachhaltigen Leben gehört also auch, sich nicht an der Massenproduktion zu orientieren.

Zeidler zeigt uns das Bild eines durchschnittlichen ökologischen Fußabdrucks und wie viel Ernährung, Stromverbrauch, Heizung und Mobilität ausmachen. „Fahrt ihr mit dem Fahrrad oder mit dem Auto?“, will Zeidler von uns wissen, „fliegt ihr in den Urlaub?“ Bei der letzten Frage müssen sich auch die erfahrenen Nachhaltigkeitsinteressierten unter uns an die eigene Nase fassen. Denn einmal zu fliegen wiegt praktisch alle guten Taten in den anderen Bereichen wieder ins Negative auf.

Reisen, ja, aber umweltbewusst

Auf dem Weg über die Maximilianstraße frage ich Zeidler, bei welchem Bereich des ökologischen Fußabdrucks er einem Ahnungslosem raten würde, seinen Lebensstil bewusster zu gestalten. „Das kann ich so allgemein gar nicht sagen“, antwortet er. Jeder müsse für sich selbst herausfinden, welcher Punkt ihm oder ihr am wichtigsten und interessantesten vorkommt.

Bedeutet nachhaltig zu leben, sich nichts gönnen zu dürfen? Als wir schließlich vor einem Reisebüro am Viktualienmarkt stehen, fast am Ende unseres Spaziergangs, entbrennt eine Diskussion über das Prinzip der Sharing Economy und das in letzter Zeit heikel gewordene Thema Airbnb. Heikel, da Immobilienkäufer in Berlin und anderen Städten angefangen hatten, Wohnungen aufzukaufen, nur um sie zu vermieten, und damit den Wohnungsmarkt noch knapper machten, als er ohnehin schon ist. Trotzdem argumentiert Zeidler: „Für Menschen aus ärmeren Ländern, die auf Tourismus angewiesen sind, ist Airbnb natürlich eine tolle Möglichkeit, sich etwas dazu zu verdienen.“ Auch für das Flugproblem hat Zeidler, der selbst gerne fliegt, eine Lösung, die das Gewissen zumindest ein wenig beruhigt: auf Seiten wie forumandersreisen können zumindest die eigenen CO2-Ausstöße ausgeglichen werden.

Unsere letzte Station bildet die Münchner Insel in der U-Bahn-Station Marienplatz, eine kostenlose Krisen- und Lebensberatung – ein perfektes Ende einer Tour über Nachhaltigkeit, bei der es vor allem um die Menschen und ihr Miteinander geht. Das macht Zeidlers München-Spaziergang interessant und erfrischend, er selbst ist ein diskussionsfreudiger Gesprächspartner, der mich und die anderen einen neuen Blick auf München hat werfen lassen. Dennoch frage ich mich: Muss nachhaltiges Leben automatisch bedeuten, dass wir nur Second-Hand-Kleidung und gebrauchte Elektronik kaufen dürfen, wenn das Geld nicht für die Öko-Marken reicht? Bedeutet ein nachhaltiges Leben Verzicht? Das kann natürlich jeder nur für sich selbst entscheiden. Mich jedenfalls hat Max Zeidler sehr zum Nachdenken gebracht, nicht nur über meinen eigenen Lebensstil, sondern auch über die Art, mit der wir alle in unserer konsumorientierten Gesellschaft an diese Fragen herangehen. Und das kann ja nur ein positives Fazit dieses Spaziergangs sein.


Für die, die sich selbst einmal ein Bild machen wollen: die nächsten Touren finden am 21.07.16 und am 15.09.16 jeweils um 16 Uhr statt. Mehr Infos dazu gibt’s hier.

1 Kommentar zu “Nachhaltig leben – für Münchner leicht gemacht?”

  1. Als Pressesprecher von Grüne Erde freue ich mich, dass Sie Grüne Erde in Ihrem Text erwähnen. Zugleich möchte ich Sie bitten, das Wort „vermeintlich“ zu streichen oder durch ein anderes zu ersetzen. „Vermeintlich“ bedeutet, dass etwas irrtümlich als etwas anderes angesehen oder eingeschätzt wird, als es ist. Doch Grüne Erde steht tatsächlich seit mehr als 30 Jahren für ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Nähere Informationen finden Sie auf unserer Homepage http://www.grueneerde.com.

    Herzliche Grüße,

    Bernhard Lichtenberger

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