Reclaim your Geh- und Radlweg!

München hat es wiedereinmal geschafft und konnte sich auch 2017 erneut den 1. Platz der verkehrsreichsten Städte Deutschlands sichern. Statt 47 Stunden standen die Münchner 2017 im Durchschnitt sogar ganze 51 Stunden pro Jahr im Stau (Quelle: Inrix 2017 Traffic Scorecard). Stau, Parkplatzmangel, Diesel-Fahrverbote, allgemeines Umwelt-Bewusstsein… Man sollte meinen, immer mehr Menschen würden sich gegen ein Auto und für die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Fahrrad entscheiden. Sind wir nicht mal die selbsternannte Radlhauptstadt gewesen?

Autos soweit das Auge reicht

Tatsächlich sind ganze 80 Prozent des Öffentlichen Raumes für fahrende oder stehende Autos reserviert. Und selbst das reicht noch nicht aus. Wenn eine Stadt das In-zweiter-Reihe-parken perfektioniert hat, dann München. Und klar: Auch Fahrrad- oder Gehwege bleiben nicht verschont.

Unter dem Hashtag #runtervomradweg findet man auf Twitter zahlreiche Bilder von Autos und sonstigen Gegenständen, die den Weg versperren. Auch auf Facebook sammelt die Gruppe „Things on Munich Bike Lanes“ allerlei ärgerliche bis bizarre Wegblockaden.

 

 

Was gegen die Privilegierung des Autoverkehrs tun?

Legal ist die ganze Sache ja nicht. Da man allerdings nur selten einen Strafzettel kassiert – die Politessen und Politeure (so lautet also die männliche Form von Politesse!) können eben nicht überall gleichzeitig sein – und sich das Bußgeld gerade einmal auf 15 Euro beläuft, geraten diese Untaten schnell in Vergessenheit. Oder wird einfach miteinkalkuliert.

Die Münchner Grünen – Rosa Liste sehen in der Zweckentfremdung einen Widerspruch zur gerechten Verteilung des Öffentlichen Raumes und eine Minderung der Lebensqualität. Das klingt erstmal dramatisch ist aber für mobilitätseingeschränkte Personen wie Rollator- und Rollstuhlfahrer, Nutzer von Kinderwägen oder fahrradfahrende Kinder unter acht Jahren, die nun auf die Fahrbahn ausweichen müssen, keine Übertreibung.

„Es ist daher an der Zeit, dieses Problem anzugehen und den Fußgängerinnen und Fußgängern den Raum zurückzugeben, der ihnen durch eine nie hinterfragte Privilegierung des Autoverkehrs genommen wurde,“ so der grüne Stadt- und Verkehrsplaner Paul Bickelbacher.

Mit einem sechsteiligen Antragspaket möchten sich die Grünen der Sache annehmen. Gefordert wird:

  1. Die systematische Erfassung des illegalen Gehsteigparkens und Darstellung von Alternativen
  2. Umfassende Öffentlichkeitsarbeit zur allgemeinen Sensibilisierung und zur Begleitung der Maßnahmen
  3. Eine flächendeckende, kommunale Parkplatzüberwachung
  4. Höhere Bußgelder für Falschparker
  5. Bauliche Maßnahmen zum Schutz des Gehbereichs
  6. Eine zentrale Beschwerdestelle

 

 

Den Gehweg „Schritt für Schritt“ zurückgewinnen

Konkret bedeutet das, zunächst einmal ein Prioritätenkonzept zu entwickeln, um die wichtigsten Fuß- und Schulwege von Falschparkern zu befreien. Bickelbacher sei klar, dass man nicht plötzlich mit dem Verteilen von Tickets beginnen kann, daher benötigt es umfassender Öffentlichkeitsarbeit, um bei der Bevölkerung das Bewusstsein zu schaffen, dass es sich beim Falschparken nicht um einen Kavaliersdelikt, sondern einen Verstoß gegen geltendes Recht handelt. Der zukünftig auch strenger sanktioniert werden soll.

So teuer ist Falschparken im Ausland 

In den europäischen Nachbarländern haben Flaschparker mit deutlich höheren Bußgeldern zu rechnen: 55 Euro in Belgien, 90 Euro in den Niederlanden, in Großbritannien sogar bis zu 130 Euro. Von derart hohen Summen soll zwar abgesehen werden, jedoch wäre eine Erhöhung von 15 Euro auf 30 Euro denkbar. Die Entscheidung darüber, wie hoch die Summe letztendlich wird, liegt jedoch beim Bund.

Eine kommunale Parkplatzüberwachung soll für eine effiziente Kontrolle der neuen Regelungen sorgen und die Polizei entlasten. Außerdem sollen bauliche Maßnahmen wie Bepflanzung, Poller, Bänke oder Fahrradständer den Gehbereich und die Radlwege schützen. Über eine zentrale Beschwerdestelle soll den Bürgerinnen und Bürgern die Chance gegeben werden, Falschparker zu melden. So sol ein Überblick über Geh- und Fahrradwege erstellt werden, bei denen besonders dringend Handlungsbedarf besteht.

Bis dahin übernehmen wohl weiterhin Twitter & Co. die Funktion des öffentlichen Prangers.

 


Beitragsbild: Christian Ihl (via Things on Munich Bike Lanes)

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