Rendite aus Gemüse

ChristianHiss

„Weniger ist Mehrwert“, ist das Motto der diesjährigen Aktionswochen Münchner Klimaherbst. Der Abschied vom Wachstumsglauben fördert spannende Geschäftsmodelle. Wir stellen ein paar Pioniere vor. Heute: Christian Hiß, Bio-Unternehmer und „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit“.

Schon der Vater von Christian Hiß war ein Bio-Pionier: Er brachte die Idee des ökologischen Landbaus aus der Kriegsgefangenschaft in England mit. 1953 stellte er seinen Hof in Eichstetten bei Freiburg auf nachhaltige Bewirtschaftung um.

Der Sohn Christian Hiß, 49, kombinierte die alternative Landwirtschaft mit modernem Management und gründete 2006 die Regionalwert AG. Die Bürgeraktiengesellschaft will die Vielfalt der Region Freiburg erhalten und mitgestalten, indem sie kleine und mittelgroße Öko-Betriebe aufkauft und verpachtet oder sich an vielversprechenden Projekten von Existenzgründern beteiligt.

Wie Gärtnermeister Hiß aus eigener Erfahrung weiß, ist es für ökologische Unternehmungen oft schwer, Kredite zu erhalten: Die sanfte Landwirtschaft wirft erst spät Gewinne ab, Öko-Bauern können selten die verlangten Sicherheiten vorweisen. Viele Bauern rund um Eichstetten haben in den vergangenen Jahren ihre Höfe aufgegeben, immer öfter finden sich keine Erben für die Weiterführung des Familienbetriebs. Einige wenige Bauern kaufen oder pachten freigewordene Flächen hinzu und setzen auf Monokulturen, vor allem auf Mais. Der Anbau von nur einer Sorte ist wirtschaftlich effizient, aber schädlich für die Umwelt. Monokultur laugt den Boden aus, reduziert die Artenvielfalt und geht oft mit Pestizideinsätzen einher.

Für die alternative Aktiengesellschaft zählt dagegen die doppelte Rendite: Neben dem ökonomischen Erfolg werden die Betriebe der AG an sozialen und ökologischen Kriterien wie Beschäftigtenstruktur, Entlohnung, Biodiversität, Ressourcenverbrauch oder Wertschöpfung in der Region gemessen. Sieben Unternehmen gehören aktuell zur Regionalwert AG, etwa zehn weitere sollen laut Vorstand Hiß in den nächsten drei Jahren folgen. Er selbst hat die Familiengärtnerei und den Viehstall eingebracht. Ein Obstgut, ein Biogroßhandel, ein Marktladen, ein Bio-Lieferservice und Bio-Catering für Kindergärten und Schulen ergänzen das Netzwerk.

Irgendwann soll die gesamte Wertschöpfung innerhalb der Aktiengesellschaft verankert sein und den Weg von Bio-Produkten vom Acker bis auf den Tisch begleiten. Dies sei die Voraussetzung für Gewinn, sagt Hiß. Noch erhalten die Aktionäre keine finanzielle Rendite: „Wir sind aber dabei, in die Gewinnzone zu kommen.“ Knapp 500 Aktionäre glauben mittlerweile an die Idee, die meisten halten als Kleinanleger eine bis fünf Aktien. Seit Ende Mai sind rund 3400 Aktien à 500 Euro im Umlauf. Die Investoren haben die Nachhaltigkeitskriterien mitentwickelt, sie können die Betriebe der AG besuchen und mit den Unternehmern sprechen.

Christian Hiß hat seine Betriebe verpachtet, er arbeitet nur noch am Schreibtisch. Ashoka, die größte Organisation zur Förderung von sozialem Unternehmergeist („Social Entrepreneurship“), unterstützt ihn seit Anfang 2010 mit einem dreijährigen Lebenshaltungskosten-Stipendium, damit er sich auf die Projektentwicklung konzentrieren kann. Ashoka fördert jährlich bis zu zehn Unternehmer, die eine neue Idee mit systemverändernder gesellschaftlicher Wirkung verbreiten. Interessenten aus Berlin, München, vom Bodensee und der Schwäbischen Alb können sich vorstellen, das Modell der nachhaltigen Bürgeraktiengesellschaft auch für ihre Regionen zu übernehmen.

Artikel von: Sonja Peteranderl

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