Keine Schmerzgrenze vor der Fahrertür

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Mit dem Car-Sharing-Modell Car2Go will Daimler das Tauschen von Autos weltweit ausbauen. Hunderte Smart-Modelle stehen bereits seit längerem im Stadtgebiet von Ulm und Austin/Texas. Die Kleinwagen können via Internet ausgeliehen und überall abgegeben werden. Auch in München nutzen schon rund 10.000 Münchner regionale Car-Sharing-Anbieter. (Foto: Daimler)

Die Financial Times meldete bereits konkrete Zahlen zu den Gewinnerwartungen: Demnach erwartet Daimler für das neue Mobilitätskonzept ein Marktpotenzial von 1 Milliarde Euro. „Auf längere Sicht soll Car2go deutlich mehr als 100 Mio. Euro Umsatz machen“, heißt es.

Da junge Großstädter immer öfter bewusst auf ein Auto verzichten, schätzen Marktforscher die Zahl der künftigen Autoteiler auf rund 1,2 Millionen Fahrer. Bereits heute beteiligen sich bundesweit 170.000 Menschen an Car-Sharing-Programmen.

In München kennt man vor allem zwei Car-Sharing Anbieter: Stadtteilauto und Stattauto.

Stadtteilauto war 1992 nach eigenen Angaben die erste Initiative dieser Art. Mittlerweile hat die von Walter Ernst gegründete Firma rund 1000 Teilnehmer – und das ohne jede kommerzielle Werbung. Laut Ernst ein Erfolgsmodell: „Car-Sharing ist keine fantastische Idee von Idealisten. Es ist wirtschaftlich und lohnt sich für alle Beteiligten“, so Ernst.

Der größte Anbieter in München heißt Stattauto. Ein Betrieb des gemeinnützigen Vereins Spectrum e.V. Rund 9000 Fahrer teilen sich die mehr als 300 Autos. MVV-Zeitkartenbesitzer erhalten auf die regulär 500 Euro Kaution und 50 Euro Aufnahmegebühr einen Nachlass von 50 Prozent. Für eine monatliche Grundgebühr von sieben Euro darf jeder sein Auto an festen Stationspunkten stundenweise mieten. Der Mini kostet 1,80 Euro pro Stunde und 18 Cent pro Kilometer.

Einen Nachfrageboom kann man in dem mit öffentlichen Geldern geförderten Car-Sharing-Unternehmen nicht verzeichnen. Das wäre auch gar nicht im Sinne der Macher: „Wir haben seit Jahren ein lineares Wachstum“, sagt Mitarbeiter Martin Heinz. Bei Stattauto wolle man die „Schmerzgrenze“ auf dem Weg zum Auto „absichtlich hoch halten“.

In dem Expansions-Konzept von Daimler sieht er vor allem Nachteile für den Klimaschutz, weil Fahrer verleitet werden könnten, öfter als nötig ins Auto zu steigen, wenn das Ausleihen so einfach ist und an jeder Ecke ein Leihwagen wartet. „Car2Go ist klimatechnisch nicht unser Ding“, so Heinz. „Wir wollen ja, dass die Menschen weniger Auto fahren.“ Nach seiner Meinung erreicht man mit Car2Go das Gegenteil: „Da wird das Autofahren vereinfacht.“

Konkurrenz von Daimler braucht man in Münchner vorerst nicht zu befürchten. Daimler blickt zunächst auf andere Regionen: Im Frühjahr 2011 startet das Smart-Projekt in Hamburg mit 300 Kleinwagen. Es soll der Auftakt einer weltweiten Expansion werden. Daimler und Europcar gründeten dafür in Hamburg eine eigene GmbH.

Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, Anja Hajduk, ist stolz auf der Projekt. Sie verspricht sich weniger Parkplatznot, weniger Verkehr, mehr Mobilität „Wer täglich aufs Neue einen Parkplatz suchen muss, wer in der Nähe einer Hauptverkehrsstraße wohnt oder wer zu den Hauptverkehrszeiten im Stau steht weiß, dass es sinnvoll ist, den Anteil des Autoverkehrs in der Stadt zu senken. Dabei hilft uns ein solches Angebot als Alternative zum eigenen PKW“, so Hajduk.

Das Geschäftsgebiet, in dem die Fahrzeuge von car2go wahlweise spontan oder mit Vorreservierung angemietet werden können, erstreckt sich zunächst auf das zentrale Stadtgebiet Hamburgs mit einer Fläche von rund 65 Quadratkilometern. Dieses Gebiet eignet sich besonders für car2go, da Einwohnerdichte und Nachfrage nach individueller Mobilität überdurchschnittlich hoch sind.

Im Gegensatz zum stationsgebundenen Carsharing- und Mietwagengeschäft können car2go-Fahrzeuge überall im Geschäftsgebiet flächendeckend von den Kunden gefunden und ohne Reservierung sofort angemietet werden, versprechen die Initiatoren. Bei Mietende können die Fahrzeuge auf jedem öffentlichen Parkplatz mit uneingeschränkter Parkdauer, einschließlich bewirtschafteten und parkscheibenpflichtigen Plätzen, abgestellt werden, ohne an der Parkuhr zu bezahlen oder die blaue Parkscheibe einzustellen.

Diese Parkgebühren sind im Mietpreis inbegriffen und werden von der car2go Hamburg GmbH vollautomatisch ermittelt und an die Stadt entrichtet. Um Parksuchverkehr zu vermeiden, stellt car2go darüber hinaus zahlreiche, auch exklusive, markierte Stellflächen in ausgewählten Parkhäusern bereit, deren Benutzung ebenfalls im Fahrpreis enthalten ist.

Der Mietpreis in Hamburg wird 29 Cent pro Minute oder maximal 14,90 Euro pro Stunde betragen, es wird automatisch der günstigere Tarif in Rechnung gestellt. Dieser All-Inclusive-Preis beinhaltet Kraftstoff, Versicherung, gefahrene Kilometer, Steuern und alle Parkgebühren. Die Registrierung als Kunde kostet einmalig 29 Euro.

In Ulm nutzen mittlerweile mehr als 20.000 Kunden die Flotte der bislang 200 smarts, die gegen Ende des Jahres 2010 durch 300 neue Fahrzeuge ersetzt werden. Seit Start des öffentlichen Betriebes Ende März 2009 wurden über 350.000 Fahrten durchgeführt und mehr als vier Millionen Kilometer von den Kunden zurückgelegt. Die einmalige Anmeldegebühr beträgt dort 19 Euro, die Nutzung je Minute 19 Cent.

3 Kommentare zu “Keine Schmerzgrenze vor der Fahrertür”

  1. […] http://www.gruenundgloria.de/schmerzgrenze-auf-dem-weg-zur-fahrertur/ Da junge Großstädter immer öfter bewusst auf ein Auto verzichten, schätzen Marktforscher die Zahl der künftigen Autoteiler auf rund 1,2 Millionen Fahrer. Bereits heute beteiligen sich bundesweit 170.000 Menschen an … […]

  2. steffi sagt:

    @mufti: haha. super kommentar!

  3. mufti sagt:

    genau – da zeigt sich wie eine gute idee mal ebend zum zwecke des gewinns karrikiert wird.

    daimler will damit schnell kohle machen und dabei ist das projekt in ulm defizität und muss vom konzern über wasser gehalten werden. keine anmeldegebühr und kleine minutenpreise sind ebend unwirtschaftlich!

    in hamburg wird es deswegen auch gleich mal ebend um 30% teurer… aber egal, die hamburger schwimmen ja offenbar in geld und demnächst auch in kleinen smarts, die überall in der innenstadt rumstehen werden. die hamburger autobesitzer werden sich über die vielen dauerparker freuen.

    carsharing ist für großstädte eine tolle idee – so wie es ist. mit festen stationen und einer fahrzeugpalette mit verschiedenen modellen.

    klaro – daimler schießt mal ebend 300 smart nach hamburg – kein ding … die werden ja quasie sich selbst verkauft ;-).
    so kann es ein mittelständisches unternehmen natürlich nicht machen, oder wie sollte sich stadtteilauto 300 autos leisten können inkl. benötigtem personal?

    schade – wirklich schade… carsahring kann zu einem umdenken, zu einem neuen städtischen mobilität führen. car2go ist bei eher ein hindernis – denn wenn mehr menschen mit dem smart (sofern sie einen bekommen) in die Stadt fahren und ÖPNV und Fahrrad links liegen lassen – je weniger wird sich bei den Menschen der Gedanke durchsetzen, dass es auch eine Mobilität jenseits vom Automobil gibt.

    Nebenbei… Daimler hat bislang noch nicht nachweisen können ,dass car2go wirklich einen Umweltnutzen hat.

    Vielleicht hätte Daimler gleich 5000Smarts nach Hamburg liefern sollen – dann wäre die Umwelthauptstadt 2011 wegen Überfüllung geschlossen.

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