Sonne, Wind und Samsö

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„Kein Wunder, dass sie bei dem Sturm hier überall Windräder aufstellen“, denke ich, als mir auf dem Rad heftiger Gegenwind und Nieselregen entgegenschlagen. Ziel der Radtour durch die Abenddämmerung von Samsö: das abgelegene Gehöft von Bernd Garbers.

Die dänische Insel Samsö ist weltweit dafür bekannt, dass sie energieautark ist. Sämtlicher Energie- und Wärmebedarf wird hauptsächlich über Biomasse, Solaranlagen und eben Windkraft gedeckt. Der Deutsche Bernd Garbers ist der Solarbeauftragte dieses Energieprojekts. Was hat jemand wie er zur so hitzig geführten Energiedebatte in Deutschland zu sagen? Als ein Mann der Tat öffnet Bernd Garbers im Blaumann die Tür. Er wirkt, wie könnte es auch anders sein, sehr energiegeladen und hoch konzentriert. Es geht dann auch sofort los: Mit Fragen zum „Projekt Samsö“, den Perspektiven der Erneuerbaren und der weltweiten Energiepolitik. Die Antworten stets im feinen Hamburger Dialekt serviert.

Wie kam es dazu, dass Samsö die Insel der erneuerbaren Energien wurde?

Das Energieprojekt ist dadurch entstanden, dass die dänische Regierung 1996 eine Insel oder ein Gebiet in Dänemark für Testzwecke auswählen wollte. Es kamen drei Inseln und zwei Gebiete in die engere Auswahl, die sich nur mit alternativen Energien versorgen sollten. Das Projekt war auf zehn Jahre ausgelegt. Bevor das Vorhaben startete, sollte von jedem Kandidaten ein Konzept erstellt werden. Wer das beste Konzept hatte und die besten Kalkulationen vorlegte, wurde ausgewählt. Die Regierung hat dann entschieden: Okay, das ist Samsö. Das hängt damit zusammen, dass wir hier sehr viel Sonne, sehr viel Wind und sehr viel Biomasse zur Verfügung haben. Und Samsö ist auch von der Größe her überschaubar.

Bei Ihrer Tätigkeit auf Samsö betreuen Sie unter anderem EU-Projekte. Können Sie da ein bisschen mehr erzählen?

Ja, ich arbeite momentan für ein Projekt, an dem drei Länder beteiligt sind: Die spanischen Inseln Gran Canaria und Teneriffa, die griechische Insel Kreta und Samsö als dänischer Vertreter. Unser Projekt hier fungiert dabei nicht zuletzt als eine Art Vorlage und Ideengeber. Jedes Land soll zunächst vor Ort selbst versuchen erneuerbare Energien zu etablieren. Im zweiten Schritt kommt es dann zu einer internationalen Zusammenarbeit der jeweils beteiligten Länder. Wir leisten aber auch in Dänemark ganz konkrete Entwicklungshilfe. Einer dänischen Firma haben wir beispielsweise dabei geholfen, Produkte aus dem Bereich der thermischen Solartechnik zur Marktreife zu bringen.

Die Insel Samsö gilt heute als CO2-neutral. Hauptsächlich Windkraft und Solarenergie sorgen für Strom und Wärme. Ist das Projekt abgeschlossen?

Nein, denn wir haben auf der Insel immer noch ganz konventionellen Verkehr und Transport mit Diesel und Benzin. Das Problem ist noch nicht gelöst. Wir verfügen auf Samsö aber über genug Energie, um Verkehr und Transport perspektivisch über Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge abzuwickeln. Hier gibt es eine Fabrik, die das vor Ort geerntete Gemüse gleich weiterverarbeitet. Da bleiben sehr viele Reststoffe übrig, aus denen Biogas hergestellt werden kann. Der nächste Schritt ist also, eine Biogasanlage zu errichten. Es wird außerdem eine neue Fähre von einer Hamburger Werft gebaut, die mit Gasturbinen ausgestattet wird. Und diese Gasturbinen können dann auch Biogas verbrennen. Mit diesem Ansatz könnte man insgesamt einen großen Anteil des Energiebedarfs von Transport und Verkehr decken. Das wird das Projekt für die nächsten zehn Jahre: Weg von Benzin und Diesel.

Kommt denn sämtlicher Strom, den ich auf Samsö verbrauche, tatsächlich aus erneuerbaren Energiequellen?

Das ist so: Es gibt elf Windkraftanlagen auf der Insel. Es zeigte sich im Laufe der Jahre aber, dass der Wind hier im Durchschnitt stärker weht, als bei den ursprünglichen Berechnungen angenommen wurde. Das heißt, die Windkraftanlagen produzieren zirka 110 Prozent der erwarteten Strommenge. 100 Prozent für den Verbrauch auf der Insel. Zehn Prozent gehen aufs Festland. Alles über das Jahr bezogen. Wenn hier allerdings kein Wind weht, importieren wir Strom vom Festland. Aber rein rechnerisch ist ein jährlicher Überschuss von zehn Prozent da.

Da sind wir schon bei einem der Hauptkritikpunkte an den Erneuerbaren: Kein Sonnenschein und Windstille. Solche Mangeltage kann man allein mit alternativen Energiequellen nicht überbrücken. Stimmt der Einwand?

Das ist richtig. Das Problem ist, dass Strom sehr schlecht gespeichert werden kann. Das ist generell noch ein Problem. In Dänemark ist es mittlerweile so, dass der überschüssige Strom nach Norwegen exportiert wird. Dort wird dieser Strom für Wasserpumpenspeicher verwendet. Das heißt, der überschüssige dänische Strom wird benutzt, um Wasser in hoch gelegene Stauseen zu pumpen. Bei Strombedarf wird das Wasser wieder ins Tal abgelassen und Turbinen erzeugen Strom. Das ist eine gewisse Art der Speicherung. Dieses Prinzip möchte beispielsweise auch Deutschland in Zukunft vermehrt nutzen.

Was sind in Zukunft die Möglichkeiten zur Speicherung von Strom? Nur über Pumpkraftwerke kann man sie wahrscheinlich schlecht leisten.

Ja, ein ganz großer Energiespeicher könnte das Elektroauto sein. Das heißt, wenn die Autos nicht fahren, wird Strom aus ihren Akkus für den Haushalt abgezogen. Das Auto als Akku in der Garage. Leider ist die Akkutechnik hierfür noch längst nicht weit genug. Die Autoindustrie hat in den letzten Jahren bei der Entwicklung neuer Technologien geschlafen. Weil die Autos immer größer wurden und die Leute das natürlich auch wollten. Und solange der Verbraucher sagt, ich will große, schnelle Autos haben, lässt sich das die Autoindustrie natürlich nicht zweimal sagen. Keiner ist auf die Idee gekommen, in diesen Zeiten alternativ zu denken und beispielsweise die Akkutechnik für Elektroautos schneller weiter zu entwickeln. Aber ich denke, in zehn Jahren kommt gespeicherter Strom für die Haushalte aus Elektroautos.

Die Speichertechnik aus den Elektroautos könnte dann auch für spezielle Speicheranlagen im Haushalt verwendet werden?

Das könnte man auf jeden Fall machen. Dafür muss aber noch viel am Stromnetz gemacht werden. Die Kapazität der Netze muss erhöht werden. Wenn man von Energie im Haushalt spricht, muss man auch intelligente Stromzähler erwähnen. Diese Technik sollte zukünftig weiterentwickelt werden. Solche Stromzähler signalisieren den Verbrauchern zum Beispiel, wenn witterungsbedingt viel Solar- oder Windstrom im Netz ist. Dann wird empfohlen, den (gerade günstigen) Strom zu verbrauchen, also beispielsweise Wasch- oder Spülmaschine zu nutzen. Das hilft unter anderem dabei, der schwankenden Strom-Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen etwas entgegen zu wirken.

Was sagt Bernd Garbers als Solarbeauftragter der Insel Samsö zu der Kritik an der Photovoltaik, sie sei hoch subventioniert, aber nicht effizient genug?

Ich sehe das so, dass die Subventionen gerechtfertigt sind. Die Windkraft ist subventioniert worden. Die Solartechnik ist subventioniert worden. Dadurch sind extrem viele Arbeitsplätze geschaffen worden – was nicht vergessen werden darf. Und wenn man mit einbezieht, wie viel es kostet, wirtschaftliche Schäden, die durch CO2-Emissionen entstanden sind, rückgängig zu machen, dann ist das eine andere Rechnung. Die Energie aus Kohlekraftwerken ist dann beispielsweise gar nicht mehr so günstig. Im Vergleich hat die Solartechnik hier eine wesentlich bessere CO2-Bilanz. Die Leute rechnen aber leider nur, wie viel die Solar-Kilowattstunde kostet. Die Subvention helfen nicht zuletzt auch die Technik zu verbessern. Und die Technik wird dadurch auch billiger.

Dass diese Förderung der Photovoltaik zu hoch war, daran besteht auf der anderen Seite auch kein Zweifel. Viele Leute haben das nicht mehr aus Überzeugung gemacht, sondern nur, um zu verdienen. Die Banken haben da mitgespielt. Die ganzen Energieversorger, die haben das als Geldquelle gesehen.

Was ist vom kürzlich beschlossenen Ausstieg vom Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland zu halten?

Eigentlich ist es nicht nachvollziehbar, weil ja die letzten zehn beziehungsweise acht Jahre in Deutschland sehr stark auf diesen Atomausstieg hingearbeitet wurde. Und es wird extrem viel Geld kosten, das jetzt wieder alles rückgängig zu machen.

Ist aber die Atomkraft als Brückentechnologie richtig?

Wie das bisher in Deutschland aufgebaut war, ist es richtig gewesen. Es ist schwierig, die Energiewende von heute auf morgen zu schaffen. Es ist ein langer Prozess. Da waren die Deutschen auf dem richtigen Weg. Deswegen kann ich eigentlich überhaupt nicht verstehen, dass das jetzt wieder rückläufig ist.

Es ist übrigens so, dass in Dänemark seit zehn Jahren überhaupt keine alternativen Energien gefördert werden. Deswegen schauen wir mit großen Augen nach Italien, Griechenland und Deutschland: Da werden die erneuerbaren Energien gefördert. In Dänemark ist es rentabel, auf Wind- oder Solarkraft zu setzen, weil Energie doppelt so teuer ist wie in Deutschland. Die Dänen machen das hier nicht aus Umweltaspekten, sondern aus Spargründen. Wenn man das auf einen Liter Heizöl bezieht, kostet der in Dänemark ungefähr 1,10 Euro. In Deutschland ist es die Hälfte. Wenn Deutschland diese Bedingungen hätte, […] dann würde dort noch mehr auf alternative Energien gesetzt werden.

Gibt es weitere Kritikpunkte an den erneuerbaren Energien, die berechtigt sind?

Als einen Schwachpunkt der erneuerbaren Energien könnte man beispielsweise einräumen, dass Windräder auf dem Land nur noch in begrenztem Maß aufgestellt werden können. Der Ausweg sind Offshore-Anlagen. Das ist natürlich gerade in Deutschland teuer, weil man auch in die Nordsee gehen muss. Es sind die Tiefen und es ist der Wellengang, der die Installation dort so schwierig macht. Die Lösung sind hier zukünftig schwimmende Plattformen, die aber noch weiterentwickelt werden müssen.

Von der Nordsee zurück nach Samsö: Wie sieht die Klimabilanz von Bernd Garbers Haus aus? CO2-neutral?

Das kann man sagen, ja. Ich hab die komplette Stromversorgung über Photovoltaik. Dann habe ich eine große thermische Anlage und einen Holzvergaser für die Wärmegewinnung. Das heißt, hier ist weder Öl noch Gas oder Sonstiges im Spiel.

INFOBOX:

Samsö – Die Insel der erneuerbaren Energien

Im Jahr 1996 wurde Samsö von der dänischen Regierung ausgewählt, um sie zur „Insel der erneuerbaren Energien“ zu machen. Heute ist die Insel im südlichen Kattegatt ein weltweites Vorzeigeprojekt: Der Strom, den die gut 4.000 Einwohner benötigen, wird zu 100 Prozent aus elf Windkraftanlagen gewonnen. 70 Prozent der Heizwärme werden über vier Biomasse- Fernheizkraftwerke gedeckt. Die restlichen 30 Prozent der Wärme werden durch Pelletheizungen, Holzvergaser oder Wärmepumpen bereitgestellt. Samsö gilt als CO -neutral und energieautark. Ein grünes Musterbeispiel, das Fachleute, Journalisten und Touristen aus der ganzen Welt anlockt.

Bernd Garbers

Der gebürtige Deutsche ist der Solarbeauftragte des „Samsö-Projekts“. Nach seinem Studium der Versorgungstechnik in Köln gründete er zunächst eine Solarfirma südlich von Hamburg. 1998 erhielt er die Möglichkeit, einen von ihm entwickelten Solarspeicher auf Samsö in der Praxis zu testen. Über diesen Weg wurde Bernd Garbers Teil des Energie-Projekts der Insel. Heute ist er an der Samsö Energieakademie unter anderem als Berater für EU-Projekte tätig. Das Ziel dabei ist, auch andere Inseln und Regionen Europas ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu führen.

Der Artikel ist erstmals erschienen auf der Webseite http://www.wanderingrocks.de

1 Kommentar zu “Sonne, Wind und Samsö”

  1. Horst sagt:

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    „Kein Wunder, dass sie bei dem Sturm hier überall Windräder aufstellen“, denke ich, als mir auf dem Rad heftiger Gegenwind und Nieselregen entgegenschlagen. Ziel der Radtour durch die Abenddämmerung von Samsö: das abgelegene Gehöft von Bernd Garbers.

    Die dänische Insel Samsö ist weltweit dafür bekannt, dass sie energieautark ist. Sämtlicher Energie- und Wärmebedarf wird hauptsächlich über Biomasse, Solaranlagen und eben Windkraft gedeckt. Der Deutsche Bernd Garbers ist der Solarbeauftragte dieses Energieprojekts. Was hat jemand wie er zur so hitzig geführten Energiedebatte in Deutschland zu sagen? Als ein Mann der Tat öffnet Bernd Garbers im Blaumann die Tür. Er wirkt, wie könnte es auch anders sein, sehr energiegeladen und hoch konzentriert. Es geht dann auch sofort los: Mit Fragen zum „Projekt Samsö“, den Perspektiven der Erneuerbaren und der weltweiten Energiepolitik. Die Antworten stets im feinen Hamburger Dialekt serviert.

    Wie kam es dazu, dass Samsö die Insel der erneuerbaren Energien wurde?

    Das Energieprojekt ist dadurch entstanden, dass die dänische Regierung 1996 eine Insel oder ein Gebiet in Dänemark für Testzwecke auswählen wollte. Es kamen drei Inseln und zwei Gebiete in die engere Auswahl, die sich nur mit alternativen Energien versorgen sollten. Das Projekt war auf zehn Jahre ausgelegt. Bevor das Vorhaben startete, sollte von jedem Kandidaten ein Konzept erstellt werden. Wer das beste Konzept hatte und die besten Kalkulationen vorlegte, wurde ausgewählt. Die Regierung hat dann entschieden: Okay, das ist Samsö. Das hängt damit zusammen, dass wir hier sehr viel Sonne, sehr viel Wind und sehr viel Biomasse zur Verfügung haben. Und Samsö ist auch von der Größe her überschaubar.

    Bei Ihrer Tätigkeit auf Samsö betreuen Sie unter anderem EU-Projekte. Können Sie da ein bisschen mehr erzählen?

    Ja, ich arbeite momentan für ein Projekt, an dem drei Länder beteiligt sind: Die spanischen Inseln Gran Canaria und Teneriffa, die griechische Insel Kreta und Samsö als dänischer Vertreter. Unser Projekt hier fungiert dabei nicht zuletzt als eine Art Vorlage und Ideengeber. Jedes Land soll zunächst vor Ort selbst versuchen erneuerbare Energien zu etablieren. Im zweiten Schritt kommt es dann zu einer internationalen Zusammenarbeit der jeweils beteiligten Länder. Wir leisten aber auch in Dänemark ganz konkrete Entwicklungshilfe. Einer dänischen Firma haben wir beispielsweise dabei geholfen, Produkte aus dem Bereich der thermischen Solartechnik zur Marktreife zu bringen.

    Die Insel Samsö gilt heute als CO2-neutral. Hauptsächlich Windkraft und Solarenergie sorgen für Strom und Wärme. Ist das Projekt abgeschlossen?

    Nein, denn wir haben auf der Insel immer noch ganz konventionellen Verkehr und Transport mit Diesel und Benzin. Das Problem ist noch nicht gelöst. Wir verfügen auf Samsö aber über genug Energie, um Verkehr und Transport perspektivisch über Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge abzuwickeln. Hier gibt es eine Fabrik, die das vor Ort geerntete Gemüse gleich weiterverarbeitet. Da bleiben sehr viele Reststoffe übrig, aus denen Biogas hergestellt werden kann. Der nächste Schritt ist also, eine Biogasanlage zu errichten. Es wird außerdem eine neue Fähre von einer Hamburger Werft gebaut, die mit Gasturbinen ausgestattet wird. Und diese Gasturbinen können dann auch Biogas verbrennen. Mit diesem Ansatz könnte man insgesamt einen großen Anteil des Energiebedarfs von Transport und Verkehr decken. Das wird das Projekt für die nächsten zehn Jahre: Weg von Benzin und Diesel.

    Kommt denn sämtlicher Strom, den ich auf Samsö verbrauche, tatsächlich aus erneuerbaren Energiequellen?

    Das ist so: Es gibt elf Windkraftanlagen auf der Insel. Es zeigte sich im Laufe der Jahre aber, dass der Wind hier im Durchschnitt stärker weht, als bei den ursprünglichen Berechnungen angenommen wurde. Das heißt, die Windkraftanlagen produzieren zirka 110 Prozent der erwarteten Strommenge. 100 Prozent für den Verbrauch auf der Insel. Zehn Prozent gehen aufs Festland. Alles über das Jahr bezogen. Wenn hier allerdings kein Wind weht, importieren wir Strom vom Festland. Aber rein rechnerisch ist ein jährlicher Überschuss von zehn Prozent da.

    Da sind wir schon bei einem der Hauptkritikpunkte an den Erneuerbaren: Kein Sonnenschein und Windstille. Solche Mangeltage kann man allein mit alternativen Energiequellen nicht überbrücken. Stimmt der Einwand?

    Das ist richtig. Das Problem ist, dass Strom sehr schlecht gespeichert werden kann. Das ist generell noch ein Problem. In Dänemark ist es mittlerweile so, dass der überschüssige Strom nach Norwegen exportiert wird. Dort wird dieser Strom für Wasserpumpenspeicher verwendet. Das heißt, der überschüssige dänische Strom wird benutzt, um Wasser in hoch gelegene Stauseen zu pumpen. Bei Strombedarf wird das Wasser wieder ins Tal abgelassen und Turbinen erzeugen Strom. Das ist eine gewisse Art der Speicherung. Dieses Prinzip möchte beispielsweise auch Deutschland in Zukunft vermehrt nutzen.

    Was sind in Zukunft die Möglichkeiten zur Speicherung von Strom? Nur über Pumpkraftwerke kann man sie wahrscheinlich schlecht leisten.

    Ja, ein ganz großer Energiespeicher könnte das Elektroauto sein. Das heißt, wenn die Autos nicht fahren, wird Strom aus ihren Akkus für den Haushalt abgezogen. Das Auto als Akku in der Garage. Leider ist die Akkutechnik hierfür noch längst nicht weit genug. Die Autoindustrie hat in den letzten Jahren bei der Entwicklung neuer Technologien geschlafen. Weil die Autos immer größer wurden und die Leute das natürlich auch wollten. Und solange der Verbraucher sagt, ich will große, schnelle Autos haben, lässt sich das die Autoindustrie natürlich nicht zweimal sagen. Keiner ist auf die Idee gekommen, in diesen Zeiten alternativ zu denken und beispielsweise die Akkutechnik für Elektroautos schneller weiter zu entwickeln. Aber ich denke, in zehn Jahren kommt gespeicherter Strom für die Haushalte aus Elektroautos.

    Die Speichertechnik aus den Elektroautos könnte dann auch für spezielle Speicheranlagen im Haushalt verwendet werden?

    Das könnte man auf jeden Fall machen. Dafür muss aber noch viel am Stromnetz gemacht werden. Die Kapazität der Netze muss erhöht werden. Wenn man von Energie im Haushalt spricht, muss man auch intelligente Stromzähler erwähnen. Diese Technik sollte zukünftig weiterentwickelt werden. Solche Stromzähler signalisieren den Verbrauchern zum Beispiel, wenn witterungsbedingt viel Solar- oder Windstrom im Netz ist. Dann wird empfohlen, den (gerade günstigen) Strom zu verbrauchen, also beispielsweise Wasch- oder Spülmaschine zu nutzen. Das hilft unter anderem dabei, der schwankenden Strom-Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen etwas entgegen zu wirken.

    Was sagt Bernd Garbers als Solarbeauftragter der Insel Samsö zu der Kritik an der Photovoltaik, sie sei hoch subventioniert, aber nicht effizient genug?

    Ich sehe das so, dass die Subventionen gerechtfertigt sind. Die Windkraft ist subventioniert worden. Die Solartechnik ist subventioniert worden. Dadurch sind extrem viele Arbeitsplätze geschaffen worden – was nicht vergessen werden darf. Und wenn man mit einbezieht, wie viel es kostet, wirtschaftliche Schäden, die durch CO2-Emissionen entstanden sind, rückgängig zu machen, dann ist das eine andere Rechnung. Die Energie aus Kohlekraftwerken ist dann beispielsweise gar nicht mehr so günstig. Im Vergleich hat die Solartechnik hier eine wesentlich bessere CO2-Bilanz. Die Leute rechnen aber leider nur, wie viel die Solar-Kilowattstunde kostet. Die Subvention helfen nicht zuletzt auch die Technik zu verbessern. Und die Technik wird dadurch auch billiger.

    Dass diese Förderung der Photovoltaik zu hoch war, daran besteht auf der anderen Seite auch kein Zweifel. Viele Leute haben das nicht mehr aus Überzeugung gemacht, sondern nur, um zu verdienen. Die Banken haben da mitgespielt. Die ganzen Energieversorger, die haben das als Geldquelle gesehen.

    Was ist vom kürzlich beschlossenen Ausstieg vom Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland zu halten?

    Eigentlich ist es nicht nachvollziehbar, weil ja die letzten zehn beziehungsweise acht Jahre in Deutschland sehr stark auf diesen Atomausstieg hingearbeitet wurde. Und es wird extrem viel Geld kosten, das jetzt wieder alles rückgängig zu machen.

    Ist aber die Atomkraft als Brückentechnologie richtig?

    Wie das bisher in Deutschland aufgebaut war, ist es richtig gewesen. Es ist schwierig, die Energiewende von heute auf morgen zu schaffen. Es ist ein langer Prozess. Da waren die Deutschen auf dem richtigen Weg. Deswegen kann ich eigentlich überhaupt nicht verstehen, dass das jetzt wieder rückläufig ist.

    Es ist übrigens so, dass in Dänemark seit zehn Jahren überhaupt keine alternativen Energien gefördert werden. Deswegen schauen wir mit großen Augen nach Italien, Griechenland und Deutschland: Da werden die erneuerbaren Energien gefördert. In Dänemark ist es rentabel, auf Wind- oder Solarkraft zu setzen, weil Energie doppelt so teuer ist wie in Deutschland. Die Dänen machen das hier nicht aus Umweltaspekten, sondern aus Spargründen. Wenn man das auf einen Liter Heizöl bezieht, kostet der in Dänemark ungefähr 1,10 Euro. In Deutschland ist es die Hälfte. Wenn Deutschland diese Bedingungen hätte, […] dann würde dort noch mehr auf alternative Energien gesetzt werden.

    Gibt es weitere Kritikpunkte an den erneuerbaren Energien, die berechtigt sind?

    Als einen Schwachpunkt der erneuerbaren Energien könnte man beispielsweise einräumen, dass Windräder auf dem Land nur noch in begrenztem Maß aufgestellt werden können. Der Ausweg sind Offshore-Anlagen. Das ist natürlich gerade in Deutschland teuer, weil man auch in die Nordsee gehen muss. Es sind die Tiefen und es ist der Wellengang, der die Installation dort so schwierig macht. Die Lösung sind hier zukünftig schwimmende Plattformen, die aber noch weiterentwickelt werden müssen.

    Von der Nordsee zurück nach Samsö: Wie sieht die Klimabilanz von Bernd Garbers Haus aus? CO2-neutral?

    Das kann man sagen, ja. Ich hab die komplette Stromversorgung über Photovoltaik. Dann habe ich eine große thermische Anlage und einen Holzvergaser für die Wärmegewinnung. Das heißt, hier ist weder Öl noch Gas oder Sonstiges im Spiel.

    INFOBOX:

    Samsö – Die Insel der erneuerbaren Energien

    Im Jahr 1996 wurde Samsö von der dänischen Regierung ausgewählt, um sie zur „Insel der erneuerbaren Energien“ zu machen. Heute ist die Insel im südlichen Kattegatt ein weltweites Vorzeigeprojekt: Der Strom, den die gut 4.000 Einwohner benötigen, wird zu 100 Prozent aus elf Windkraftanlagen gewonnen. 70 Prozent der Heizwärme werden über vier Biomasse- Fernheizkraftwerke gedeckt. Die restlichen 30 Prozent der Wärme werden durch Pelletheizungen, Holzvergaser oder Wärmepumpen bereitgestellt. Samsö gilt als CO -neutral und energieautark. Ein grünes Musterbeispiel, das Fachleute, Journalisten und Touristen aus der ganzen Welt anlockt.

    Bernd Garbers

    Der gebürtige Deutsche ist der Solarbeauftragte des „Samsö-Projekts“. Nach seinem Studium der Versorgungstechnik in Köln gründete er zunächst eine Solarfirma südlich von Hamburg. 1998 erhielt er die Möglichkeit, einen von ihm entwickelten Solarspeicher auf Samsö in der Praxis zu testen. Über diesen Weg wurde Bernd Garbers Teil des Energie-Projekts der Insel. Heute ist er an der Samsö Energieakademie unter anderem als Berater für EU-Projekte tätig. Das Ziel dabei ist, auch andere Inseln und Regionen Europas ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu führen.

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    Christian Grundmann am 19. November 2010 Keine Kommentare
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