Sonnenschein für die Staatskanzlei

„Strom erzeugen, wo er gebraucht wird“

Die Bayerische Staatskanzlei produziert künftig ihren eigenen Ökostrom. Am Mittwoch wurde die Solaranlage auf dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes in Betrieb genommen. Sie soll jährlich knapp 70.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Am Bau beteiligt war auch die Solarinitiative München, die vom Münchener Stadtrat ins Leben gerufen wurde und als Unternehmen sowohl Behörden als auch Privatpersonen beim Bau von Solaranlagen berät. Klimaretter.info sprach mit dem Geschäftsführer Harald Will


klimaretter.info:
Herr Will, bei der Solaranlage auf dem Dach der Bayerischen Staatskanzlei mussten Belange des Denkmalschutzes berücksichtigt werden. Dadurch hat es mehr als anderthalb Jahre gedauert, bis die Anlage jetzt ihren Betrieb aufnimmt. Warum werden Photovoltaik-Module überhaupt in der Stadt aufgestellt? Auf dem Land ist doch genügend Platz, wäre da nicht vieles einfacher?

Harald Will: Ich bin der Meinung, dass man den Strom auch dort erzeugen sollte, wo er verbraucht wird. So kann man auf teure Stromleitungen verzichten. Außerdem schützt man die freie Natur. Ich habe nichts gegen Solaranlagen auf dem Land, aber als Naherholungsgebiet gefällts mir besser.

Sie haben errechnet, dass in München genauso viel Solar-Leistung pro Quadratkilometer installiert ist wie in ganz Bayern. Reicht Ihnen das nicht?

Diese Zahlen verkennen den unterschiedlichen Strombedarf. Auf dem Land deckt Sonnenenergie rund zehn Prozent des Verbrauchs, in der Stadt sind es gerade mal 0,5 Prozent.

Wenn es so praktisch ist, den Strom vor Ort zu erzeugen, warum ist der Solarausbau in der Stadt nicht schon weiter vorangeschritten?

Gefördert wird ja gleich. Der Vergütungssatz im Erneuerbare-Energien-Gesetz unterscheidet nicht zwischen dem Hochhaus in der Innenstadt und der Scheune auf dem Land. Aber auf einem Stall oder einem Einfamilienhaus ist eine Solaranlage einfacher zu bauen. Das Dach ist nicht so hoch, die Eigentümerstruktur übersichtlich. Oft gehört das Haus einer Person, eine andere investiert. Bei einem Mietshaus in der Stadt hingegen haben Sie es mit mehreren Bewohnern zu tun, deren Interessen Sie erstmal unter einen Hut bekommen müssen. Zudem brauchen Sie ein Gerüst, müssen das bezahlen und möglicherweise beim Amt eine Genehmigung holen.

Trotzdem glauben Sie, dass künftig auch immer mehr Hochhäuser mit Solarstrom vom Dach versorgt werden.

Hochhäuser haben ein relativ kleines Dach, unter dem acht oder zehn Familien wohnen. Dort ist der Eigenverbrauch deutlich höher und das macht die Photovoltaik-Anlage so attraktiv. Im Moment kostet die Erzeugung von Solarstrom netto zwölf bis 14 Cent pro Kilowattstunde. Das entspricht in etwa auch der Einspeisevergütung, die Sie durch das EEG erhalten, wenn Sie den Strom ins Netz einspeisen. Wenn Sie die Energie aber selbst nutzen, sparen Sie sich die Stromkosten, die für Privathaushalte bei über 25 Cent brutto liegen. Ich bin sicher, dass das ein neues Geschäftsfeld ist und Firmen sich bald darauf spezialisieren, Lösungen für Mehrparteienhäuser zu finden.


Das Konzept, dort Strom zu produzieren, wo er auch gebraucht wird, ist so simpel wie einleuchtend. Die Staatskanzlei in München will jährlich knapp 70.000 Kilowattstunden Strom auf ihrem Dach erzeugen. (Foto: Solarinitiative)


Ihr Unternehmen berät seit 2010 Behörden und Privathaushalte in München, die sich eine Solaranlage aufs Dach setzen wollen. Was hat sich in den vergangenen Jahren geändert?

Die Berechnung von Investitionskosten und voraussichtlichen Erträgen ist komplexer geworden. Früher waren die Vergütungssätze mit 30 Cent höher als der Strompreis für Privathaushalte. Deswegen hat es sich nicht gelohnt, den Strom selbst zu nutzen. Heute müssen Sie den Eigenverbrauch und die Ersparnisse dadurch einkalkulieren. Wenn Sie keinen Speicher haben, können Sie die Energie nur tagsüber verbrauchen. Das macht meistens knapp ein Drittel des erzeugten Stroms aus.

Haben sich auch die Wünsche Ihrer Kunden verändert?

Durch die ständige politische Diskussion über Kürzungen bei der Ökostrom-Umlage ist die Verunsicherung deutlich gestiegen und der Beratungsbedarf auch. Diese ständige Unsicherheit ist für den Ausbau der erneuerbaren Energien viel schädlicher als die Absenkung der Fördersätze. Früher kamen die Leute zu uns und wollten wissen: Kann ich noch die hohe Vergütung bekommen? Jetzt ist die Frage: Soll ich überhaupt noch eine Solaranlage bauen?

Was raten Sie?

Ich bin überzeugt, dass es weiterhin absolut Sinn ergibt. Die Investitionskosten sind gesunken und die Stromkosten werden steigen. Zudem sind die Zinsen aktuell sehr niedrig. Und was die Bürokratie angeht: Nirgendwo auf der Welt ist es so leicht, sich Photovoltaik-Module aufs Dach zu schrauben, wie bei uns. Wer über eine Solaranlage nachdenkt, sollte sich von den politischen Diskussionen nicht beirren lassen. Jetzt, wo die Anlagen billig sind, mit dem Ausbau aufzuhören, wäre der größte Blödsinn.

Wie sieht Ihre Beratung denn konkret aus?

Wir erklären zum Beispiel, woran man erkennen kann, dass ein Handwerker was kann. Oder welche Photovoltaik-Module am besten geeignet sind. Für die meisten Leute sehen die alle gleich aus.

Ihre Beratung kostet Geld.

Das ist richtig. Wir werden zwar unter anderem von der Stadt getragen und handeln auch im Gemeinwohlinteresse, aber wir sind eine privatwirtschaftliche GmbH und müssen unsere Kosten einspielen. Diese Konstruktion bei einer Solarberatungsfirma ist soweit ich weiß deutschlandweit einmalig.

Harald Will, 48, hat Umweltwissenschaften studiert und später in der Versicherungswirtschaft gearbeitet. Seit 2010 ist er Geschäftsführer der Solarinitiative München.

Interview: Fritz Walders

Fotos:Solarinitiative München

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