Tag 6 – Amalgamation day

Samstag war ein ruhigerer Tag im ICC. Große Proteste fanden außerhalb des Tagungsgeländes statt. Die zwei Fachorgane SBI and SBSTA, die vor allem mit technischen und wissenschaftlichen Fragen betraut sind, haben ihre Arbeit abgeschlossen und Entscheidungsvorlagen an die COP weitergeleitet. In diesen bleiben allerdings einige Fragen offen. Kampierende Mitglieder der ‚Occupy’-Bewegung wurden dagegen auch innerhalb der Konferenzzone entdeckt. Unter Anleitung von Dan Reifsnyeder arbeitet sich die AWG-LCA langsam durch die Textwände aus Panama. Die EU und die USA steuern auf eine mögliche Konfrontation in Sachen Roadmap zu und die Position eines wichtigen Teils der BASIC-Staaten ist weiterhin schwer zu fassen.

Das wichtigste Ereignis vom Samstag war die Veröffentlichung des ‚Amalgamation’- Dokuments durch die AWG-LCA. Dieser Text ist weniger ein bahnbrechender Vorschlag ihres Vorsitzenden als vielmehr eine Zusammenführung von Texten aus den unterschiedlichen Verhandlungsgruppen. Dan Reifsnyeder selbst nannte es einen ‚Samstags-Schnappschuss’, der einen Überblick über den Verhandlungsstand vermittelt und die weitere Arbeit strukturieren helfen soll. Obwohl 143 Seiten stark, enthält das Dokument doch in weiten Zügen weniger strittigen Text zu technischen Fragen, bei denen bedeutende Entscheidungen in Durban möglich sind. Weiter fortgeschrittene Inhalte betreffen u.a. MRV, Anpassung, REDD-plus sowie Institutionen für Technologietransfer und Finanzierung. Dennoch bleiben wichtige Fragen ungelöst. So liegen zwei neue Texte zur Frage von Emissionsminderungen bislang undiskutiert auf dem Tisch. Ebenso umstritten ist das Kapitel ‚Shared Vision’, das gleichfalls Emissionsminderungen betrifft, die Frage neuer Marktmechanismen und die langfristige Finanzierung. Alle diese Fragen machen noch viel Arbeit notwendig und werden kaum ohne politische Grundsatzentscheidungen zu lösen sein, da sie u.a. eng verbunden sind mit Fortschritt in der Frage einer zweiten Verpflichtungsperiode. Nächste Schritte für die LCA sind Detaildiskussionen des Textes am Montag und dann folgt Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit in informellen Verhandlungsgruppen. Ein neuer Text ist anschließend für Dienstag wahrscheinlich. Dieser muss klare Optionen für die Diskussion auf Ministerebene benennen.

Parallel zur LCA bemüht sich auch die Präsidentschaft um Fortschritte durch fortgesetztes Indaba hinter verschlossenen Türen. Dabei soll sich der Fokus laut Aussage der Präsidentin nun hin zu Querschnittsfragen verschieben und die im gestrigen Update beschriebenen drei Lücken betreffen. Die Beratungen schließen die Vorsitzenden der AWGs ein – womit das Indaba nun auch die Verhandlungen zu den großen Fragen unterstützen und damit die Arbeit auf Ministerebene vorbereitet.

Wir haben in der vergangenen Woche berichtet, dass sich sowohl EU wie auch USA klar zur Zukunft der UNFCCC artikuliert haben. Demgegenüber bleibt aber eine bedeutende Unbekannte im Spiel, die den wichtigen ersten und den nicht weniger wichtigen letzten Buchstaben des Akronyms BASIC betrifft: Denn weder Brasilien noch China haben sich bislang in dieser entscheidenden Frage klar positioniert – anders als Indien, das der US-Position bzgl. der nächsten Schritte zuzuneigen scheint. Auf China wird es in diesem Punkt besonders ankommen und die Vermutung liegt nahe, dass sowohl Europäer wie auch Amerikaner im Hintergrund die Chinesen und Brasilianer für ihre jeweiligen Positionen zu gewinnen suchen. Damit sind wir an einen Punkt gelangt, an dem die gesamte Konferenz den Atem anhält und fragend auf China schaut.

In diesem Zusammenhang hat der deutsche Delegationsleiter Karsten Sach aufgezeigt, dass es eine gemeinsame Haltung zur Umsetzung der ‚Cancun Agreements’ gibt, insbesondere zum grünen Klimafonds, zur Frage, der konkreten Ausgestaltung der gegenwärtigen Minderungsverpflichtungen, sowie zu MRV. Er ist gleichfalls optimistisch in Fragen der Technologiediskussionen in Durban, die er als kooperativ und pragmatisch beschreibt.

Am Sonntag kommen die ersten Minister nach Durban. Auf sie wird es bei der Lösung der großen Fragen ankommen. Mittwochabend beginnt offiziell die Konferenz auf Ministerebene. Es bleibt abzuwarten, ob die Umweltminister über ausreichend Atem verfügen, um all das zu stemmen, was von ihnen erwartet wird. Doch zuvor muss die AWG-LCA die Gesamtladung noch in grundsätzlich schulterbare Teile strukturieren.

Um den Verhandlungsfortschritt zu analysieren und mit Blick auf die zukünftige Klimapolitik zu bewerten, sind die Experten der Münchner Unternehmensberatung FutureCamp, Andreas Kohn, Daniel Scholz und Matti Nygren, wieder vor Ort präsent und berichten täglich von den Klima­verhandlungen.

Autoren:
Andreas Kohn ist Experte im Bereich Analytik und Klimapolitik.
Daniel Scholz ist Experte im Bereich Emissionshandel und Klimaschutzprojekte (CDM/JI/VER).
Matti Nygren ist Experte im Bereich der UNKlimaverhandlungen, der Bali Road Map, weiterer multilateraler Prozesse und nationaler Politikgestaltung, NAMAs und damit verbundene Unterstützungsmechanismen.

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