Spezial: Olympia 2018 – Tag der Wahrheit

Eigentlich fällt die Entscheidung ja erst am 6. Juli in Durban. Aber nun könnten die Würfel über den Austragungsort für die Olympischen Spiele des Jahres 2018 doch schon am heutigen Sonntag fallen. Experten machen keinen Hehl daraus, dass ein knappes Votum in Garmisch mehr ist als ein Eigentor – es kommt wohl einer Disqualifikation gleich.

Taxifahrer, Schützenverein, Trachtler – wer sich mit den Menschen in Garmisch unterhält, bekommt das Gefühl, dass durchaus eine theoretische Möglichkeit gegeben ist, dass die Olympia-Gegner für ihren Entscheid eine knappe Mehrheit bekommen könnten.

Heute werden die Bürger entscheiden, ob die oft als „Knebelverträge“ bezeichneten Abkommen zwischen Kommunen und IOC von einem unabhängigen Verfassungsjuristen geprüft werden sollen – oder nicht. Alleine die Fragestellung ist sehr subtil. Grund genug, weshalb die Olympia-Fans einen eigenen Entscheid auf den Weg gebracht haben. Hier kann man einfach wählen, ob man die Olympischen Spiele wolle oder nicht. Wenn beide Initiativen eine Mehrheit haben, gibt es einen Patt. Dafür wurde eine dritte Frage auf dem Bürgerbogen aufgeschrieben: Hier muss man sich entscheiden, welchem Anliegen man seine Unterstützung gibt, wenn beide Fragen eine Mehrheit haben.

Das Bizarre an der ganzen Sache ist nicht nur die seltsame Formulierung des Bürgerentscheids, sondern es sind viel mehr die Folgen für die große Olympia-Schwester an der Isar. Für dort haben die Politiker inzwischen so viele „wenn, dann“-Verbindungen geknüpft, dass eine erfolglose Bewerbung in der Tat weitreichende Folgen haben kann.

So hat Verkehrsminister Ramsauer in einem Interview in der SZ erst vergangene Woche verkündet: Der Tunnel für die zweite S-Bahnstammstrecke werde nur gebaut, wenn München den Zuschlag für die Spiele bekomme. Ansonsten sei schlicht nicht genug Geld in den Fördertöpfen des Freistaates. Eigentlich ein Desaster für München. Die Empörung bei den Stadtpolitikern hält sich bisher dennoch in Grenzen, schließlich spielt das Argument auch ein wenig in deren Hände. Je mehr Argumente für das umstrittene Projekt, desto besser.

Nun wird auch behauptet, dass die versprochenen 1.300 Wohnungen im erweiterten Olympiapark nicht gebaut werden, wenn München keine Spiele bekommen. Auch wenn es aus dem Planungsreferat längst Stimmen gibt, wonach die Wohnungen auch im Falle einer erfolglosen Olympiabewerbung gebaut werden – nach außen heißt es: Für den Bau des neuen Dorfes werde nur der Funke überspringen, wenn die olympische Flamme in München flackert.

Was das alles mit dem heutigen Bürgerbegehren zu tun hat? Mehr als man denkt:
Am Donnerstag fuhr man große Geschütze auf mit einer Olympia-PR-VeranstaltungDiskussion in der BMW-Welt, auf der Joschka Fischer (BMW-Berater und damit Berater des Hauptsponsors der Bewerbung), Katarina Witt (das hübsche Gesicht der Bewerbung), Christian Ude und Christian Stückl (Intendant des Volkstheaters und Olympiaverfechter im Gemeinderat von Oberammergau) zu viert gegen eine Olympiagegnerin (Katharina Schulze von den Münchner Grünen) anargumentierten. Politiker, Sportfunktionäre und Sponsorenberater waren sich einig, dass die Spiele eine tolle Sache seien.

Wenig Beachtung fand eine Äußerung der Münchner Rathaus-Grünen auf einem Podium einen Tag zuvor. Auf Radio Lora, das live aus dem Gasteig sendete, erklärte Jutta Koller, wenn der Bürgerentscheid der Olympia-Gegner erfolgreich sei, „ist die Bewerbung tot“. Ein klares Statement einer erfahrenen Sportpolitikerin, dass die Münchner Stadtratsgrünen ihre Pro-Olympia-Position dann nicht mehr halten können. Auf Landesebene und in der Partei seien 70 bis 80 Prozent gegen die Spiele, erklärte Koller.

So kann man es durchaus wagen, ein wenig waghalsig in die Zukunft zu skekulieren: Wenn man die Auswirkungen eines möglichen Erfolges der Nolympia-Initatoren abschätzen will, könnte das Ergebnis so aussehen:

Das Szenario:
1. Die Stadtratsfraktion der Grünen beugt sich dem Bürgerwillen und erklärt den Rückzug aus dem Bewerber-Team – man sieht sich ja schließlich als Partei der Bürgerpartizipation.
2. Das IOC fürchtet um sein Image durch jahrelange Anti-Olympiaproteste in den bayerischen Bergen und entscheidet sich lieber für den Bewerber aus Südkorea.
3. Die Landesregierung verkündet das Aus für den Tunnel und muss nicht mehr zugeben, dass es im Freistaat so oder so nicht mehr genug Geld für den Milliarden-Bau in München gegeben hätte.
4. Die Stadt München kann stolz verkünden, dass man dennoch die Wohnungen am Olympiapark bauen werde – auch ohne Olympia.

Aber vielleicht kommt ja auch alles anders und Kati Witt eröffnet mit Christian Ude 2018 die Olympischen Winterspiele im Münchner Olympiapark. Aber das wäre dann eine völlig andere Geschichte.

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