Tank oder Teller? KOEXISTENZ STATT KONKURRENZ

In einem Interview mit Jens Mühlhaus, ehemaliger Stadtrat der Münchner Grünen und heutiger Vorstand bei Green City Energy, haben wir über die Zukunft unserer Energieversorgung und mögliche Konflikte bei der Flächennutzung zwischen landwirtschaftlichen Flächen und Erneuerbaren Energien gesprochen. Die Tank-Teller-Debatte greift ihm zu kurz, Mühlhaus plädiert für eine projektbezogene Herangehensweise an einen Konflikt, der vielleicht gar keiner ist.

Herr Mühlhaus, die gesellschaftlich erwünschte Energiewende bedingt den raschen Ausbau Erneuerbarer Energien. Ergeben sich daraus keine Flächennutzungskonflikte mit der landwirtschaftlichen Nutzung?

> Mühlhaus
Man sollte die Herausforderung, vor der wir stehen, nicht unterschätzen. Die Energiewende ist der zentrale Baustein einer zukunftsfähigen Gesellschaft,
aber der notwendige Zubau an regenerativen Kraftwerken hat auch Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Flächennutzung und das Landschaftsbild. Gerade im Bereich der Bioenergie und dem damit verbundenen Anbau von Energiepflanzen ist Vorsicht geboten. Ich warne jedoch vor voreiligen Urteilen, Ziel muss doch eine ökologisch sinnvolle und ausgewogene Flächennutzung sein. Ganz entscheidend ist dabei die sensible Einbindung von Energieerzeugungsanlagen in die jeweilige Region. Die Möglichkeit der Landwirtschaft, erneuerbare Energieträger bereitzustellen, macht ihre zentrale Rolle für ein nachhaltiges Wirtschaften zur Lösung von Umweltproblemen doch offensichtlich.

Mit Green City Energy haben Sie auch Biogasanlagen errichtet, wie haben Sie dort für die angesprochene Ausgewogenheit gesorgt?

> Mühlhaus
Alle unsere Anlagen haben einen sehr hohen Anteil an landwirtschaftlichen Koppelprodukten wie Mist und Gülle in der Substratversorgung, das Argument der Flächenkonkurrenz ist hier also nur bedingt gültig. Wir haben den Anteil an Mais-Silage weitestgehend reduziert und somit die Förderung von Monokulturen minimiert. Wichtig sind uns auch die enge Einbindung der beteiligten Landwirte und kurze Transportwege. Unsere Anlagen stehen in strukturschwachen Regionen, die Landwirte schaffen sich als Energiewirte ein zweites Standbein. Ganz entscheidend ist auch die Nutzung der anfallenden Wärme, bei einem unserer Projekte haben wir einen örtlichen Gartenbaubetrieb durch eine extrem preisgünstige Wärmeversorgung vor dem Ruin gerettet. Eines ist aber klar – solche Standortbedingungen sind nur schwer zu finden, wir sind daher aus der Projektierung und Errichtung von Biogasanlagen ausgestiegen.


Auch andere Formen Erneuerbarer Energien stehen immer wieder in der Kritik. Große Solarparks auf Ackerflächen sind den Menschen nur schwer vermittelbar.

> Mühlhaus
Das sehen wir genauso. Daher haben wir auch nie Projekte auf Ackerflächen errichtet. Anders stellt sich die Sachlage auf Konversions- und Industrieflächen oder ehemaligen militärisch genutzten Arealen dar. Keiner will eine Kartoffel von einem Truppenübungsplatz, hier bietet sich die Errichtung von Solarparks an. So werden aus ehemals versiegelten Flächen Energielandschaften, die aus naturschutzfachlicher Sicht eine klare Aufwertung erfahren. Dem sollten wir uns nicht verstellen. Ich denke, wir sollten hier nicht alle Solarparks über einen Kamm scheren, sondern zu einer differenzierten und projektbezogenen Bewertung kommen. Klar ist aber auch, dass Ackerflächen ausschließlich zur Nahrungsmittelproduktion verwendet werden sollten, daran ist nicht zu rütteln.

Kritiker sehen in großen Solarparks auch eine Landschaftsverschandelung, was entgegnen sie solchen Argumenten?

> Mühlhaus
Mit Verständnis. Nicht jeder muss einen Solarpark oder eine Windkraftanlage ästhetisch finden. Daher setzen wir auf die enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit den lokalen Akteuren vor Ort. Oft können unbegründete Vorbehalte im Dialog ausgeräumt werden. So werden die Anlagen umlaufend begrünt, in einem Fall konnten wir sogar ein ehemaliges Biotop wieder zum Leben erwecken. Schafe finden auf den entstehenden Magerwiesen besten Weidegrund, die Artenvielfalt steigt dort erheblich.

Sie haben eben Windkraftanlagen angesprochen, welche Erfahrungen machen Sie in der Projektentwicklung in Bezug auf die Flächenkonkurrenz?

> Mühlhaus
Die Windenergie ist doch ein wunderbrares Beispiel für eine koexistenzielle Nutzung! Der Flächenverbrauch ist bezogen auf die Energieausbeute minimal, der Anteil der Windenergienutzung an der gesamten Flächenversiegelung in Deutschland beträgt somit lediglich rund 0,3 bis 0,6 Prozent. Unsere Erfahrungen sind hier sehr positiv, Kommunen, Flächenbesitzer und Landwirte sehen hier viel mehr die Chancen, die die Windenergie für ihre Region bietet.

Können Kommunen und Landkreise denn verhindern, dass in ihrem Umfeld einseitige Nutzungsbedingungen herrschen?

> Mühlhaus
Durch unsere kommunale Energieberatung arbeiten wir eng mit den Entscheidungsträgern vor Ort zusammen. Dadurch haben wir gelernt, dass entscheidend ist, wie pro-aktiv die Verantwortlichen mit dieser Aufgabe umgehen. Durch die Ausweisung von Vorrang- und Ausschlussflächen kann auf planungsrechtlicher Ebene viel gesteuert werden. Aber auch im Baurecht haben Kommunen die Möglichkeit, ungewünschter einseitiger Nutzung vorzubeugen. Grundsätzlich haben die Kommunen und ihre Verwaltungen in diesem Bereich noch einen hohen Beratungsbedarf, das zeigen unsere vollen Auftragsbücher.

Green City Energy hat sich auch mit Kleinwasserkraftwerken am Markt etabliert. Gibt es auch Konflikte im Bereich der Wasserkraft?

> Mühlhaus
Bei Kleinwasserkraftwerken sind es weniger Flächennutzungskonflikte, hier geht es vielmehr um den Erhalt sensibler Ökosysteme und Lebensräume für Fische. Wir bauen keine neuen Kraftwerke, an denen Gewässer aufgestaut werden müssen, insofern haben unsere kleinen Anlagen keinen Einfluss auf den Wasserhaushalt der umliegenden Flächen. Das Praterkraftwerk im Herzen Münchens ist so ein beispielhafter Fall – hier haben wir ein ungenutztes Energiepotenzial an einer bestehenden Staustufe genutzt. In diesem Zuge wurde eine neue Fischtreppe gebaut und so die Durchgängigkeit der Isar für die Fischwanderung deutlich verbessert. In Frankreich kaufen wir derzeit alte Kleinwasserkraftwerke und modernisieren diese. Damit steigern wir die Energieausbeute an bestehenden Standorten und sorgen gleichzeitig für eine Verbesserung des Ist- Zustands. Für diesen Ansatz ernten wir viel Lob.

Wie stehen Sie persönlich zu der Debatte um die Nutzungskonflikte zwischen Nahrungsmittelproduktion und Erneuerbaren Energien?

> Mühlhaus
Ich bin immer für das direkte Gespräch, damit habe ich die besten Erfahrungen gemacht. Ich muss aber auch sagen, dass mich eine einseitige und unfaire Argumentation mit pauschalierenden und falschen Behauptungen ärgert. „Dusch mich, aber mach mich nicht nass!“, das scheint mir bei einigen das Motto zu sein. Energie und Nahrungsmittel sollen billig und immer verfügbar sein, aber eine nachhaltige Energieversorgung und Lebensmittel aus biologischem Anbau haben nun mal ihren Preis.

Fotos:Green City Energy

Veranstaltung am 20.10.2012 :
Lust auf Zukunft
Green City Nachhaltigkeitsnacht
von 21.00 bis 2.00 Uhr;
Eintritt frei

Alte Kongresshalle, Theresienhöhe 15,

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