Think-Tank auf dem Weg vom Denken zum Handeln

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Der tt30 (Der Think Tank des Club of Rome für Menschen in den Zwanzigern und frühen Dreißigern) hat den Januar zum Nachhaltigkeitsmonat erklärt: Zu Beginn das Jahres soll man ein paar umweltfreundliche Gewohnheiten mehr in seinen Alltag einbauen. Spannend dürfte vor allem die Missionierungswoche werden. Franziska Schwarz hat für klimaherbst.de mit der Projekt-Koordinatorin Hanna Sammüller gesprochen.

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Jede Woche steht der Nachhaltigkeitsmonat unter einem Motto: Mobilität (nachhaltige Verkehrsmittel nutzen), Energie (Verbrauch reduzieren), Ernährung (Regionales bevorzugen und weniger Fleisch essen) und in den letzten sieben Tagen: Familie, Freunde und Arbeitskollegen mitreißen. Damit die guten Vorsätze nicht nach zwei Tagen flöten gehen, kann man bei Facebook überprüfen, wie es den anderen bei der Aktion geht.  Hilfe soll ein tt30- Kriterienkatalog leisten, den man auch über klimaherbst.de hier downloaden kann. Hanna Sammüller erklärt, wie es dazu kam.

Was ist der „tt30“?
Der tt30 ist ein nationales, interdisziplinär und interkulturell ausgerichtetes Forum junger Menschen um die 30 Jahre, die sich mit den dringendsten Zukunftsfragen unserer Zeit auseinandersetzen. Wir wollen den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Erde hinterlassen, und deshalb das Thema Nachhaltigkeit für den Alltag besser greifbar machen. Wir wollen den Gedanken des „Club of Rome“ weiter tragen, den in den Siebziger Jahren führende Leute aus der Wirtschaft gegründet haben. Mittlerweile sind die Probleme – und auch die Arten, wie man diese Probleme anpacken oder publik machen kann  – andere geworden, und deshalb gibt es seit 2004 den Think Tank für junge Leute aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst.
Wir haben deutschlandweit etwa 30 Mitglieder. Ein Team von drei gewählten Personen entscheidet anhand einer Bewerbung, wer aufgenommen wird. Dabei wird auchdarauf geachtet, welche Kompetenzen gerade im Think Tank gebraucht werden – eine Zeit lang wurden zum Beispiel sehr viele Leute aus der Wirtschaft, aus Unternehmensberatungen etwa, genommen.
Wir treffen uns zweimal im Jahr für ein Wochenende, jeweils einmal im Süden und im Norden Deutschlands. Dazwischen gibt es viel Emailverkehr und es passiert auch viel über Skype, denn es sind zwar viele Deutsche dabei, doch die leben überall: In New York, Brüssel oder irgendwo in Afrika. Obwohl wir auch publizieren, ist der Think Tank nicht darauf angelegt, groß in der Presse zu sein – das wollen wir auch nicht, denn wir sind keine von der Öffentlichkeit abhängige Partei.

Wie seid Ihr auf den  „Nachhaltigkeitsmonat“ gekommen?
Wir hatten schon eine ähnliche Aktion –  allerdings nur intern und nur für eine Woche. Wir hatten im Think Tank das Gefühl, dass wir zwar nachhaltigen Lifestyle in Politik und Wirtschaft tragen wollen, dabei aber manchmal vergessen, dass wir mit unserem eigenem Lebensstil maßgeblich daran beteiligt sind. Durch unsere Diskussionen kam auch heraus, dass wir völlig unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, was Nachhaltigkeit bedeutet – ein sehr umstrittener Punkt war zum Beispiel das Fliegen. Deshalb haben wir einen Kriterienkatalog zusammen gestellt, der helfen soll, sein Leben nachhaltig zu gestalten ohne dabei den Spaß zu verlieren.

Beim Thema Fliegen war es sicher schwer, einen Konsens zu finden?
Ja, das war richtig schwer. Die einen haben gesagt, Fliegen ist  grundsätzlich schlecht und man sollte es meiden, die anderen meinten, sie müssen für ihren Beruf fliegen und können daran auch nichts ändern. Die dritte Gruppe schliesslich hat gesagt, Fliegen ist in Ordnung, wenn man „Atmosfair“-Zahlungen leistet. Im Kriterienkatalog steht jetzt, man sollte bei Strecken unter 800km  nicht fliegen, bei Urlaubsreisen von weniger als fünf Tage auf das Flugzeug verzichten und wenn das Fliegen unumgänglich ist, eine CO2-Kompensation bezahlen.

Wie ist Eure interne Nachhaltigkeitswoche gelaufen?
Wir haben uns die ganze Zeit im Intranet ausgetauscht. Das war auch eine gewisse Kontrolle, und dadurch wiederum stieg die Motivation. Die Woche hat total gut geklappt, und viele lustige Anekdoten hervorgebracht: Einer hat durch eine Fahrgemeinschaft seinen Nachbarn kennenlernt und es hat sich herausstellt, dass der aus dem gleichen Heimatdorf kommt.

Gab es keinen Frust?
Doch – totalen Frust. Ein Mitglied etwa ist Inhaber einer Solarfirma in Kalifornien. Er hat an einem Tag versucht, mit dem Bus zu seiner Firma zu kommen. Man konnte das richtig aus seinem Beitrag herauslesen: Wie er sich am Morgen noch freut – und dann fast zwei Stunden zur Arbeit braucht, für eine Strecke, die er mit dem Auto im Handumdrehen zurücklegt. Er schrieb, dass wir hier in Deutschland so gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können, und er ist der Depp vom Dienst, der stundenlang in klapprigen Bussen herumgondelt.

Im Nachhaltigkeitsmonat empfehlt ihr, nur an Tagen mit grossem „M“ Fleisch zu essen.
Das haben wir sehr lange diskutiert – denn darf man so etwas den Leuten überhaupt vorschreiben? Wir wollen auch nicht verlangen, überhaupt kein Fleisch mehr zu essen. Mit unseren „M(eat)-Tagen“ wollen wir nur einen Anstoß geben, über das Fleischessen nachzudenken. Selbst wenn im schlimmsten Fall die Leute genauso viel Steak essen wie vorher, denken sie dabei vielleicht daran, dass dieser Genuss jetzt einfach mehr CO2 verbraucht. Wenn ich es mir nicht bewusst machen würde, würde ich wahrscheinlich auch fast jeden Tag Fleisch essen. Wenn ich zum Beispiel in die Mensa gehe, dann gibt es ein vegetarisches Gericht, das ist immer der gleiche Gemüseauflauf, und der Rest sind Fleischgerichte.

Ihr könnt ja die Mensaleitung fragen, ob sie beim Nachhaltigkeitsmonat mitmacht.
Als Think-Tank kann man ein bisschen versteckt auftreten, das ist ganz gut. Als ich noch Vorsitzende der Grünen in München war, haben wir von den städtischen Kantinen gefordert, an Freitagen bitte fleischfrei zu kochen – das hat ja zum Beispiel mit dem Karfreitag auch eine gewisse Tradition. Da hieß es, was wir denn für verrückte Einfalle hätten, ob wir den Leuten jetzt das Vegetarier-Sein vorschreiben wollen. Ich war damals wirklich erstaunt, denn es ging ja nur um eine Mahlzeit in der Woche, und die auch nur in der Arbeitszeit – der Angestellte hätte ja abends immer noch eine Currywurst essen können. Die Kritiker damals waren sicher nicht ausschließlich Fleischesser, sondern die Leute wollten es einfach nicht haben, dass man ihnen ihre Essgewohnheiten vorschreibt. Ich glaube, solche scharfen Angriffe – die politische Parteien gewohnt sind – bekäme ein Think-Tank nicht.

Die letzte Januarwoche, die  „Missionierungswoche“, wird bestimmt trotzdem heikel.
Darüber ist bei uns auch ein Streit entbrannt. Sollen wir wirklich so weit gehen sollen, auch Andere zur Nachhaltigkeit aufzufordern, oder uns doch lieber auf das eigene Leben beschränken? Jetzt wollen wir einfach ausprobieren, ob die Leute sich auf den Schlips getreten fühlen oder ob sie offen sind.

Wie ist das Feedback auf Eure Aktion bisher?
Überraschend gut. Was ich  allerdings interessant finde: Frauen sind anscheinend empfänglicher für solche Projekte. Ich promoviere  beispielsweise auch gerade im Umweltstrafrecht und Frauen sagen mir oft, „Super, das ist zwar eine Nische aber sehr interessant“, während Männer eher mit „Bist du bescheuert, wie willst du damit einen Job finden?“ reagieren.

Aber wird das Umweltrecht vielleicht an Bedeutung gewinnen?
Beim Umweltrecht passiert alles Wichtige zur Zeit leider nur auf europäischer Ebene. Ein Problem ist dabei auch, dass die meisten Straftaten gegen die Umwelt aus großen Unternehmen heraus passieren und man innerhalb der Unternehmenshierarchie schwer den Schuldigen ausmachen kann. Das ist auch das Thema meiner Doktorarbeit. Im deutschen Strafrecht kann man nur eine Einzelperson bestrafen, aber kein ganzes Unternehmen. Das führt dazu, dass viele Verfahren eingestellt werden. Wer ist schuld, der einzelne Arbeiter der einen Hahn offen gelassen hat, der Vorarbeiter der nicht gescheit aufgepasst hat, oder die Geschäftsführung die das jahrelang geduldet hat? Meine These ist, dass es im Umweltstrafrecht zudem noch ein andere Schwierigkeit gibt: Das Rechtsgut ist etwas Besonderes. Hinter den  „klassischen“ Rechtsgütern steht immer ein Mensch der geschädigt worden ist, also etwa durch Verletzung des Lebens, der Gesundheit oder des Eigentums. Bei der Natur ist das anders – und damit kann das Strafrecht meiner Meinung nach noch nicht gut umgehen.

Foto Ampelmann: Tobias Mittmann / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)

1 Kommentar zu “Think-Tank auf dem Weg vom Denken zum Handeln”

  1. Nadine sagt:

    Toller Beitrag. Bestimt keine schlechte Sache, sich mit dem Thema näher auseinander zusetzen. Werde bestimmt die nächsten Beitraege im Auge behalten.

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