Regional = Bio-Fleisch? Über einen seltsamen Beschluss im Stadtrat

Wenn das Oktoberfest nächstes Jahr seine Zelte auf der Theresienwiese wieder aufschlägt, wird einiges anders sein: Der Stadtrat hat ein Konzept beschlossen, nach dem Bio-Lebensmittel auf Festen der Stadt- wie dem Oktoberfest, den drei Auer Dulten oder dem Stadtgründungsfest gefördert werden soll. Hört sich zunächst gut an, oder? Betrachtet man den Beschluss jedoch näher, ist er ein großer Rückschritt.

So wird zukünftig Fleisch aus Massentierhaltung, solange es regional produziert wurde, Bio-Produkten in der Bewertung gleichgestellt. Vor dem Hintergrund des rasanten Ausbau der industriellen Intensivtierhaltung in Bayern ist das eine Schmach für die Stadt.

Belohnung für nachhaltiges Einkaufen oder weiter Massentierhaltung fördern?

Die Angelegenheit, die der Stadtrat schon seit zwei Jahren debattiert, ist eigentlich simpel: Sollen Standbetreiber die nachhaltig und ökologisch einkaufen belohnt werden, oder nicht? Dabei werden zum Beispiel die Bewerbungen für das Oktoberfest, nach einem Kriterienkatalog bewertet, bei dem maximal 400 Punkte erreicht werden können. Dabei gibt es Punkte von technischen Standards über Volksfesterfahrung hin zu eben dieser Nachhaltigkeit, über die hier gestritten wird.

Traurigerweise ist das Kriterium Ökologie in der Wertung nicht mal bedeutend, denn es gibt nur 8 Punkte dafür. Es geht auch nicht darum städtische Feste „biologisch“ zu machen und ausschließlich nachhaltig erzeugte Lebensmittel zu verkaufen, sondern dass Wirte und Standlbesitzer einen winzigen Vorteil für ihre ökologisches Engagement bekommen.

Den Startpunkt der ganzen Debatte hat der ehemalige Stadtrat Georg Schlagbauer Anfang 2015 mit seinem Slogan: „Regional ist das neue Bio“ geliefert. Weil er sich auf dem Gebiet Lebensmittelsicherheit profilieren wollte, forderte Schlagbauer damals Innungsmeister der Münchner Metzger und Handwerkskammerpräsident, per Antrag, dass „regional erzeugte und hergestellte Produkte den Bio-Produkten bei der Anzahl der zu vergebenden Punkten gleichgestellt werden“.

Auch die CSU um den stv. Bürgermeister Josef Schmid konnten sich von diesem Antrag 2016 noch nicht verabschieden und versuchten die Gleichstellung unter massivem Druck durchzudrücken, scheiterten aber am Protest des Aktionsbündnisses und der SPD.

 Beschlossene Sache

Nach einem emotionalen Schlagabtausch im Stadtrat ist nun seit Ende September das Konzept beschlossen. „Qualität aus Bayern“- also Massentierhaltung wird nun den Bio-Produkten gleichgestellt. Die Grünen um Stadträtin Sabine Krieger zeigen sich empört. Alle anderen Fraktionen werfen den Grünen Ahnungslosigkeit vor. Eine Eskalation der Debatte verhinderte die SPD in letzter Minute. Sie hielt die CSU nochmals davon ab, das umstrittene Regionalsiegel mit der untersten Bio-Stufe gleichzustellen.

Dass die Stadt künftig für Fleisch aus Massentierhaltung Biopunkte vergibt, macht Krieger fassungslos. Sie steht damit ihren Stadtrats-Kollegen von der CSU, der SPD, der FDP, der Bayernpartei und der ÖDP gegenüber.

Bürgermeister Josef Schmid (CSU) unterstellte der Partei „pure Ideologie“ und Oberbürgermeister Dieter Reiter betont: „Die Grünen wollen die Menschen umerziehen.“

„Dreifache Rolle rückwärts statt ein Schritt nach Vorne“

Warum der Beschluss und damit die „Förderung“ gesunder und ökologische erzeugter Lebensmittel ein massiver Rückschritt ist, haben wir im Gespräch mit Stefanie Weigel vom „Aktionsbündnis Artgerechtes München“ zusammengetragen:
1. Das beschlossene Konzept fördert die Gleichstellung von konventionellen Produkten mit Bio-Produkten:
Wer zukünftig Hendl aus bayrischer Massentierhaltung unter dem Siegel „Qualität aus Bayern“ verkauft, bekommt bis zu zwei Öko-Punkte von acht dafür.
 2. Bei erhöhten Anforderungen bleiben die Öko-Punkte im Vergleich zur Gesamtpunktzahl sehr gering:
Statt tatsächlich zu fördern und damit mehr Punkte für Bio zu vergeben, gibt es keine neuen Punkte. Gleichzeitig werden aber die Anforderungen erhöht. Acht Punkte sind dabei zukünftig nur noch zu erreichen, wenn der Wirt sein Hauptsortiment zu 100 Prozent aus bayrischen Bio-Produkten bezieht. Zum Beispiel erhält die Fischer Vroni, die auf der Wiesn für ihren Steckerlfisch eine Institution ist, für ihr Bio-Hendel keinen einzigen Punkt mehr.
 3. Die Auer Dulten und der Christkindlmarkt bekommen weniger Ökopunkte: Durch die „einheitliche“ Regelung der Kriterien auf allen städtischen Festen, verschlechtern sich die Bedingungen für Bio-Betriebe für die Auer Dulten und den Christkindlmarkt erheblich. Bislang können hier 10 Nachhaltigkeitspunkte erreicht werden, was rund 22 Prozent der Maximalpunktzahl entspricht. Der Anreiz zur Umstellung auf Bio-Produkte wird demnach massiv verringert.

Die ÖDP sorgt für Irritationen, oder ist die ÖDP irritiert?

Das „Ja“ der ÖDP – die eigentlich schon seit Jahren für Umwelt und Tierschutz einsteht – zum Beschluss sorgt nicht nur medial sondern auch politisch für Irritationen. Im Gespräch mit dem Münchner Verband heißt es dazu: „Besser Fleisch von Tieren, die kurze Wege zum Schlachter und nach München haben, als jene, die qualvolle Strecken zurücklegen müssen“. Auch „der Fisch aus dem Chiemsee, der „Qualität aus Bayern“ ist, hätte ja dann nicht mehr unter dem Label „Bio“ verkauft werden können“, sagt Thomas Prudlo, Vorsitzender der ÖDP.

Die andere Seite der Medaille zeigt, dass mit dem Beschluss regionale Jagd-und Fischereibetriebe ausgeschlossen gewesen wären und es zu einer höheren Co2-Bilanz durch die längeren Transportwege gekommen wäre. „Das Thema hat eine innere Logik“, sagt Prudlo “ und die folgt der Regionalität.

Im politischen Jungel der Stadt zeigt dieser Beschluss, nicht nur die allgemeine Verwirrung, sondern wie sehr die Bürger – gerade in der Wiesn Zeit- in das politische Klima der Stadt mit ein bezogen werden. Nämlich so wenig, dass der Beschluss vor lauter Blasmusik völlig untergegangen ist. Und so ist das Bio-Wiesn-Hendl nächstes Jahr aus Massentierhaltung, aber immerhin „Qualität aus Bayern“.

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