Was hat es eigentlich mit Münchens Stadtbächen auf sich?

2012_greencity_allgemeineMobilitaet_SuGinOng(5)

Glockenbach, Auer Mühlbach, Eisbach… Diese Nebenarme der Isar kennt wohl jeder Münchner. Weniger bekannt sind jedoch Bäche wie der Stadtgrabenbach und der Stadtsägmühlbach. Sie sind weitgehend in Vergessenheit geraten und oft nicht einmal mehr sichtbar. Und das, obwohl diese Bäche, die in München auch als Namensgeber von Straßen und Vierteln stehen, laut Wolfgang Heidenreich von Green City e.V. das Leben in der vom Klimawandel geprägten Wärmeinsel Stadt angenehmer zu gestalten vermögen.

Dieser Meinung sind auch Die Grünen und haben deswegen bereits im September 2015 einen Antrag im Münchner Stadtrat über eine erneute Öffnung und ein Zugänglich Machen der Stadtbäche gestellt.

„Einen Teil der zubetonierten Stadtnatur wieder zu beleben, sollte heute Ziel sein.“

Bis jetzt ist der Stadtrat jedoch noch zu keiner Entscheidung gekommen. Warum? Das Baureferat bereitet inzwischen schon fast ein Jahr lang eine Beschlussvorlage zum Thema „Öffnung der Stadtbäche“ vor. Gegenüber Grün&Gloria erklärte Christian Müller, Pressesprecher des Baureferats, dass voraussichtlich noch dieses Jahr im Stadtrat darüber beschlossen werde. Welche Vorteile eine Freilegung der Stadtbäche hätte und was diese überhaupt genau sind, hat uns Wolfgang Heidenreich im Interview erzählt.

 

Der bescheidene Hinterhof der Mondstraßen-Bewohner #auermühlbach #mondstraße #untergiesing #münchen

Ein von Mit Vergnügen München (@mitvergnuegen_muenchen) gepostetes Foto am

 

„Stadtbäche tragen zur Abkühlung der Hitzeinsel Stadt bei“

G&G: Was sind denn Stadtbäche überhaupt und was habe ich als Bürgerin davon, wenn sie jetzt wieder freigelegt werden sollen?

Wolfgang Heidenreich: Die Stadtbäche sind bei der Entstehung der Stadt gefasste Seitenarme der Isar bzw. künstlich angelegte Gräben wie z.B. der Westliche Stadtgrabenbach. Also immer Isarwasser und kein eigentlicher Bach mit eigener Quelle. Die Stadtbäche waren wichtige Lebensadern der Stadt seit ca. dem 12. Jahrhundert, das Wasser trieb Mühlen für diverse Handwerke an.

Die Stadt München wächst immer mehr, d.h. es gibt immer mehr Einwohner auf immer gleicher Grundfläche der Stadt. Dies bedeutet immer mehr versiegelten Stadtgrund durch Gebäude und Straßen, welche sich im Sommer aufheizen und die Wärme speichern (Stichwort: Wärmeinsel Stadt). Dies führt zu einer geringeren nächtlichen Abkühlung, die wiederum sehr belastend für die Gesundheit der Stadtbewohner ist.

Als Bürgerin erfahren Sie durch die Stadtbäche eine Abkühlung. Mit ihnen wird kühlere Luft in die Stadt transportiert und legt man sie in einer versiegelten Fläche frei, dann wird eine Wärmespeicherquelle gegen kühles Bachwasser ausgetauscht. Stadtbäche tragen also zur Abkühlung der Hitzeinsel Stadt bei und dies ist, in Anbetracht des Klimawandels mit künftig mehr Hitzetagen und Tropennächten, dringend nötig.

Wie kommt es, dass München so viele Stadtbäche hat, die nicht zugänglich sind?

Es gibt mehrere Gründe dafür. Gesundheitspolitische Gründe (seit Mitte des 19. Jahrhundert), wirtschaftlich geringere Bedeutung mit Einzug der Elektrizität, Straßen- und Wohnungsbau der wachsenden Stadt und U-Bahnbau trugen dazu bei, dass von den ehemals ca. 300 Kilometer Stadtbäche viele verfüllt wurden oder unterirdisch verlaufen. Heute führen noch 174 Kilometer der Stadtbäche Wasser.

Welchen Mehrwert – außer einer neuen Badegelegenheit – hätte es für die Stadt und ihre Bewohner, die Bäche freizulegen?

Vor allem Abkühlung. Baden wird aber wohl aus Sicherheitsgründen auszuschließen sein. Selbstverständlich kann ein freigelegter oder hochgepumpter Stadtbach auch das Stadtbild positiv beeinflussen und damit die Aufenthaltsqualität verbessern.

Inwiefern waren Sie und Green City am Antrag der Grünen an den Oberbürgermeister beteiligt?

Mit einem Workshop zum Öffnen von Stadtbächen im „Green Room“, einer begrünten Fußgängerunterführung und Aktion des Streetlife Festivals von Green City im Sommer 2014, hat das Begrünungsbüro von Green City die Stadtbäche wieder ins Bewusstsein vieler Münchner gebracht. Es gab auch eine große Presseresonanz und Führungen zum Thema zusammen mit dem Münchner Forum. Bei der Recherche über die Münchner Stadtbäche sind Stadträtinnen und Stadträte der Grünen auf die Aktivitäten von Green City gestoßen, haben um Unterstützung für den Antrag gebeten und uns zur Teilnahme an der Pressekonferenz am 11.09.2015 eingeladen.

Der Antrag wurde vergangenen September gestellt. Warum, schätzen Sie, passiert nichts von Seiten der Stadt?

Das ist eine sehr gute Frage, die wir uns ebenfalls stellen!

Ich habe auf eurer Website gelesen, dass jetzt der Glockenbach in der Pestalozzistraße freigelegt werden soll. Ein erster Schritt in die richtige Richtung? Und was zieht das für Folgen nach sich?

Aus stadtklimatischer Sicht ist es auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung! So eine Maßnahme wirkt nur sehr kleinräumig auf das Mikroklima, genauso wie ein Baum oder eine Fassadenbegrünung. Wenn einmal ein solches Projekt durchgeführt wurde und es eine spürbare klimatische Verbesserung für die Bewohner und Passanten der Pestalozzistraße gibt, dann wird sicherlich intensiver nach Umsetzungsmöglichkeiten an anderer Stelle gesucht werden. Die Folgen für die Pestalozzistraße wären allerdings auch, dass auf einer Straßenseite die Pkw-Stellplätze entfallen würden.

Wie sehen Sie die Chancen für eine Zustimmung des Antrags?

Es muss bei den Verantwortlichen, die über den Antrag entscheiden, das Bewusstsein vorhanden sein, dass dringend Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel umgesetzt werden müssen. Da müssen auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden. Inwieweit die Stadtpolitiker dazu bereit sind, kann ich nicht beurteilen. Es wissen wohl auch nicht alle Bürger von den stadtklimatischen Problemen und kämpfen um jeden Stellplatz.

Wie stellen Sie sich idealerweise ein München mit Stadtbächen vor?

Wo immer es geht, Stadtbäche freilegen. Die verlaufen aber oft in 4 bis 5 Metern Tiefe. Daher schlagen wir vor, dass entgegen früherer Vorschläge das Wasser des Westlichen Stadtgraben-Baches in der Herzog-Wilhelm-Straße hochgepumpt wird und nicht bis zum Stadtbach hinunter frei gegraben wird. Es wären hier viele Stützmauern und Terrassen erforderlich, denen sicherlich auch einige Bäume im Wege stehen würden. Die große Masse an Beton die dort verbaut werden würde, wäre auch wieder ein Wärmespeicher, der die nächtliche Abkühlung behindert. Wird also ein Teil des Bachwassers hier hochgepumpt, muss man sich nicht mehr an das Bachbett halten. Es könnte so geleitet werden, dass keine Bäume entfernt werden müssten. Ein Wettbewerb für Künstler könnte für die Gestaltung des Wasserlaufs ausgelobt werden: Kunstwerke die mit Wasserkraft angetrieben werden, Kneippanlage, Hundetränke, Bewässerung der Bäume in Hitzeepisoden etc. wären denkbar. Die Überprüfung und Übertragung an anderen Stellen wäre ideal.


Bilder: © Green City e.V. / Su Gin Ong

 

Kommentieren