Weltretten- WIE SCHWER ES IST, GEWOHNHEITEN ZU ÄNDERN

Klar weiß ich, wie man nachhaltig und gesund isst: saisonal, regional, wenig (oder gar kein) Fleisch und natürlich Bio. Wir kochen frisch und verzichten auf industrielle Fertiggerichte. Kein Problem, meine Kinder mögen weder Tiefkühlpizza noch Nussnougat-Creme. (Na gut, zugegeben, letztere kennen sie nicht. Schmecken würde sie ihnen vielleicht schon). Aber eigentlich klappt es ganz gut mit der nachhaltigen Ernährung. Bis auf neulich.

Neulich richteten wir nämlich ein großes Familienfest aus. Wir erwarteten nicht nur Eltern und Geschwister, sondern auch die drei Onkel aus der Oberpfalz. Einer war früher Jäger, die anderen beiden hatten auf dem Bauernhof meiner Großeltern zahllose Schweine, Gänse und Hühner geschlachtet. Und verarbeitet. Früher gab es dort im Keller ein Räucherkammerl voller Schinken, die Gefriertruhe barst beinahe vor Enten, Gänsen und Rehrücken. Und wenn meine Oma sonntags für alle kochte, gab es Leberknödelsuppe, Rindfleisch mit Preiselbeeren und Semmelknödeln. Manchmal auch Schweinsbraten mit Kartoffelknödeln. An eine Mahlzeit ohne Fleisch dort kann ich mich nicht erinnern. Fleisch bedeutete Wohlstand.

Und jetzt die drei Onkel bei uns. Ob ihnen wohl Linsen mit Gorgonzola schmecken würden? Vielleicht ginge ein Rote-Beete-Risotto mit gegrillten Pilzen und Rucolasalat? Vor meinem inneren Auge sah ich schon, wie sich der Rucola im langen Bart vom Jägeronkel verheddern würde. Alle würden sehr angestrengt kauen – und auf das Fleisch warten. Würden sich die Onkel aus der Oberpfalz auf unserem Fest wohl fühlen, wenn es kein Fleisch gäbe? „Hm,“ dachte ich: „Wir brauchen ein Schwein, sonst wird das nichts.“ So feierten wir in einer bürgerlichen Gaststätte und bestellten Spanferkel mit Knödel für alle.

Anfangs lief es wie erwartet. Die Vorspeise sagte allen zu, schließlich fanden sich im Salat zahlreiche Speckkrusterln. Die große Überraschung folgte beim Hauptgang: Als der Kellner die Spanferkel-Teller servieren wollte, winkten die Onkel ab. „Ich nehme gerade ab“, erklärte der eine. „Für mich bitte nur den Krautsalat“, meinte der andere. Und der Jägeronkel murmelte: „Das Alter.“

Wumms. Mein Weltbild hatte einen ordentlichen Knacks bekommen. Wenn nicht einmal die Onkel aus der Oberpfalz an der guten, altbayerischen Sonntagsbraten-Tradition festhalten wollten – wer dann? Beim nächsten Fest werden wir einfach das auftischen, was unserer Familie auch sonst gut schmeckt: aus Biolandbau, saisonal und vielleicht sogar komplett vegetarisch.

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