Die Sorge ums Saatgut: „Vielfalt genießen und erhalten!“

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Genmais und Chlorhühnchen – das sind die Schlagworte, die die Lebensmitteldiskussionen seit dem Aufkommen von TTIP beherrschen. Dabei gibt es aber nicht nur bei genmanipulierten Nahrungsmitteln Tendenzen, die man mit Skepsis betrachten sollte.

Auch der Umgang mit Saatgut in der Lebensmittelproduktion wandelt sich. Der Trend der großen Saatgutproduzenten geht hin zu wenigen, speziellen Monokulturen, die die regionalen, jahrhundertealten Sorten vom Markt verdrängen.
Doch ist es überhaupt wichtig, die alten Sorten zu erhalten? Sind diese denn heute überhaupt noch effizient bzw. wettbewerbsfähig? Grün & Gloria hat nachgefragt bei Konrad Bucher, Umweltpädagoge und Betreuer des Experimentiergarten-Projektes am Ökologischen Bildungszentrum.

Effizient ist relativ: Effizient wofür? Es gibt Sorten, die sind angepasst an trockene Böden, sie sind das Ergebnis jahrtausendelanger Anpassung und züchterischer Auslese durch die Anbauenden. Diese Sorten sind effizient auf trockenen Böden, aber vielleicht überhaupt nicht effizient auf feuchten, nährstoffreichen Böden.

Die Sortenvielfalt ist entstanden, weil es so viele unterschiedliche Standorte gibt. Unterschiedliche Wachstumsbedingungen wird es immer geben, regional wie global, deshalb braucht es unterschiedliche Sorten. Es ist nicht möglich, eine Sorte zu finden, die mit allen Bedingungen gleich gut zurecht kommt. Es ist auch nicht notwendig, diese eine Sorte zu finden, außer eben für die Saatgutkonzerne, die ihr Saatgut weltweit absetzen wollen.

Eine regionale Sorte bringt unter Umständen weniger Ertrag ein, wenn es um die Masse geht. Trotzdem kann sie besondere Eigenschaften besitzen. Welche können das beispielsweise sein?

Richtig. Zum Beispiel ist diese Sorte vielleicht glutenarm oder weniger pilzanfällig etc. Ihr genetisches Material ist also unglaublich relevant, u.U. sogar relevant für die Ernährungssicherheit auch wenn sie gleichzeitig weniger ertragreich ist.

Es geht also nicht darum, „altes“ zu erhalten, sondern Vielfalt als sinnvoll und wichtig zu erkennen. Darüber hinaus gibt es aber auch noch ganz menschliche Gründe, die für den Erhalt der Vielfältigkeit sprechen:

Sortenvielfalt ist außerdem unglaublich schön: Unterschiedliche Eigenschaften, Farben und Geschmäcker zu entdecken, unterschiedlichen Geruch und Geschmack im Essen zu genießen: Das ist doch Lebensqualität. Einen Apfel zu haben, der sich sehr gut für Kuchen eignet, einen anderen für Most, einen zum Reinbeißen. Einer mag lieber einen süßen Geschmack, die andre beißt gerne in den sauren Apfel, jedem und jeder wie es gefällt. Der ästhetische Aspekt darf bei der Diskussion nicht vergessen werden.

Darüber, dass in Sachen Saatgut endlich gehandelt werden muss, sind sich Konrad Bucher zusammen mit dem Münchner Umwelt Zentrum (MUZ) und dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN e.V.) einig. Die Idee: Sie veranstalten ein Saatgut-Festival unter dem Motto „Vielfalt genießen und erhalten“, das dem Trend der Gewinnorientiertheit auf unseren Tellern entgegenwirken soll. Markt- und Informationsstände sowie zahlreiche Vorträge behandeln die Frage wie man selbst samenfeste Sorten im Topf oder Balkonkasten anbauen kann und somit aktiv zum Erhalt der alten, regionalen Sorten beitragen kann. „Samenfest“ bedeutet, dass die Samen, die die Früchte enthalten, wieder eingepflanzt werden können und fruchtbar sind. Man kann also mit seiner eigenen Ernte die Nächste sähen.

Saatgut-Festival
Ort: Ökologisches Bildungszentrum (ÖBZ) in München-Englschalking
Adresse: Englschalkinger Str. 166
Tag: 22. Februar 2015
Beginn: 10:00 Uhr
Eintritt frei

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