Studiert hat Silke Stremlau Politikwissenschaften und Umweltpolitik. Ihr Steckenpferd waren damals schon nachhaltige Investitionen. Im September letzten Jahres wechselte sie dann zur Bank im Bistum Essen als Generalbevollmächtigte und forcierte weiter das, was man heute unter Divestment versteht. Nämlich das Abziehen von Geld aus Projekten und Unternehmen, die offensichtlich klimaschädlich sind. Welche Rolle dabei der Politik, der Finanzbranche und den Betrieben zukommt, haben wir sie gefragt.
- Seit wann befassen Sie sich persönlich mit der Divenstment-Bewegung?
Eigentlich habe ich direkt nach meinem Studium angefangen in dem Bereich zu arbeiten, also mittlerweile vor 16 Jahren. Als vor zwei, drei Jahren der norwegische Pensionsfonds, einer der größten Staatsfonds weltweit mit mehr als 765 Milliarden Euro anfing, nach streng ethischen Richtlinien zu investieren, wurde Divestment zunehmend bekannter. Der Fonds zieht sich nämlich öffentlichkeitswirksam aus Unternehmen zurück zog, die 30 Prozent ihrer Einnahmen mit Kohle machen. Ähnliches macht die Rockefeller-Stiftung. Durch meine Arbeit im Anlageausschuss der Bewegungsstiftung hatte ich dann hautnah Berührung mit Investoren, die sich der internationalen Divestment-Bewegung angeschlossen haben. Diese Impulse habe ich dann auch in die Bank im Bistum Essen getragen.
- Wer wird bei Divestment in die Pflicht genommen?
Es werden vor allem Investoren in die Pflicht genommen. Diese wollen ja eigentlich bei ihren Finanzentscheidungen nur in solche Unternehmen investieren, die auch noch in zehn Jahren finanziell erfolgreich sind. Mit den Zielen von Paris, unter einer Erderwärmung von zwei Grad zu bleiben, ist aber klar, dass die Zeiten für energieintensive Unternehmen härter werden oder dass die Zeit der Kohleverstromung mittel-bis langfristig vorbei ist. Somit muss ich als Investor heute schon aus Unternehmen der fossilen Energie aussteigen, um langfristig keine großen finanziellen Verluste zu erleiden. Also deinvestiere ich und steuere meine Geld in zukunftsweisende Bereiche um.
Wir als Bank haben aber nicht nur als Investor, sondern auch als Kreditgeber an dieser Stelle eine große Macht. Mit unseren Krediten finanzieren wir Unternehmen der erneuerbaren Energien und können dadurch maßgeblich mitbestimmen, was finanziert werden soll und was nicht. Konkret heißt das: wir finanzieren z.B. zusammen mit der GLS-Bank Windparks.
Bezogen auf die Organisationsentwicklung müssen Banken in den nächsten Jahren vor allem an ihren Geschäftsmodellen arbeiten. Die Frage lautet deshalb auch, ob man intern die richtigen Köpfe hat, die andere Geschäftsmodelle kennen und vor allem mitentwickeln können. Dabei dürfen natürlich auch die Aufsichtsräte nicht vergessen werden, denn so eine Umsetzung in Richtung Nachhaltigkeit funktioniert nur, wenn man gewisse Regularien zur Hand hat.
- Und wie reagiert die Politik auf Divestment?
Mittlerweile gibt es einige Städte, die deinvestieren, wie zum Beispiel Münster, Heidelberg und Berlin. Nicht zuletzt auch dank Bürgerkampagnen wie Fossil Free Deutschland, die dieses Thema verfolgen.
Allerdings muss auch gesagt werden, dass auf Seiten der Politik noch viel zu wenig gemacht wird. Gerade bei der Altersvorsorge, bei der öffentlichen Veranlagung oder bei Ausschreibungen im öffentlichen Bereich. Vor allem aber müsste das Thema mehr kommuniziert werden und finanzielle Anreize geschaffen werden. Die Leute wissen, dass sie Fair-trade-Kaffee und Recycling Papier kaufen können, aber nicht, dass es nachhaltige Geldanlagen gibt. Gerade auf Bundesebene müsste das noch viel mehr angegangen werden.
- Kann via Divestment das Vertrauen in die Bankbranche gestärkt werden?
Klar. Genau deshalb hat eine Bank wie die GLS seit Jahren so einen enormen Zulauf. Natürlich glaubt man dieser Bank mehr als zum Beispiel der Deutschen Bank, die ebenso Nachhaltigkeits-Fonds hat, aber natürlich eine ganz andere Vergangenheit. Als Anleger schwingt da immer die Angst vor Green-Washing mit.
Wobei es allgemein auch ein Wissensproblem ist. Nachhaltige Geldanlagen werden zwar immer attraktiver, allerdings weiß ein Großteil der Bevölkerung noch gar nichts von dieser Art Geldanlagez.
- Hatten Sie als Bank im Ruhrgebiet je Probleme offen gegen Investitionen in Kohle zu sein?
Die Bank im Bistum Essen hat das Thema Nachhaltigkeit schon seit vielen Jahren in der Geschäftsphilosophie verankert und hat den Claim „Fair Banking“. Das bedeutet, dass man genau darauf achtet, welche Produkte man entwickelt und den Kunden anbietet. Wir haben zum Beispiel Nachhaltigkeitskriterien für unsere eigenen Anlagen und Depots entwickelt und Mikrofinanzfonds aufgesetzt. Zudem haben wir seit langem das Thema Atomenergie auf der Ausschlussliste. Als die Klimakonferenz in Paris letztes Jahr anstand, war es für uns nur noch ein kleiner Schritt zu sagen, dass wir aus Finanzgeschäften mit fossilen Energieträgern, wie Kohle, aussteigen wollen.
Damit setzt man natürlich als Bank Mitten im Ruhrgebiet eine Signalwirkung. Wobei wir viele überregionale Kunden haben, die vor allem im caritativen-kirchlichen Bereich ansässig sind – also wenig bis nichts mit der Kohleindustrie vor Ort zu tun haben.
Frau Stremlau, vielen Dank für das Gespräch
Mehr Informationen zum Thema: Auf BR 24: http://www.br.de/nachrichten/divestment-klimaschutz-100.html
(c): Dirk Vorderstraße by Flickr CC BY 2.0
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