Wie Paare Kind, Job & Abwasch unter einen Hut bekommen

Stefanie Lohaus, Tobias Scholz: Papa kann auch stillen.

Buchbesprechung von Ursula Liepelt

„Ich habe Angst davor, in einer … Spirale zu landen, an dessen Ende ich wie Betty Draper in der Fernsehserie Mad Men in einem kleinen Haus in der Vorstadt sitze und mich nur um die Kinder und den Garten kümmere und um sonst nichts. Unausgelastet und unterfordert. Mit einem Cocktail vorm Lunch, damit das Leben wenigstens so ein bisschen bunter wird.“

Tobi und StephiFotocredit: Urban Zintel

Welche Frau kennt diese Ängste nicht? Will ich so werden, wie meine Mutter, wie meine Tante, wie diese unzufriedene Nachbarin oder die Figur aus der erwähnten Serie? Welchen Grund gibt es, dieses veraltete klassische Rollenmodell immer weiter zu leben, in dem und mit dem viele so unglücklich scheinen? Welche plausible Erklärung gibt es dafür, dass Generationen von Frauen weiter alleine dafür zuständig sind sämtliche Familienmitglieder zu bekochen, zu spülen und die Wäsche zu waschen?

Quietschgrün der Umschlag mit dem Titel „Papa kann auch stillen“ – so ein Buch würden viele entweder belächeln oder gleich angeekelt wieder weglegen. Der Umschlag lenkt vielleicht bewusst davon ab, dass es drinnen inhaltlich zur Sache geht. Denn dieser ganz einfache Satz „Papa kann auch stillen“, bringt auf den Punkt, worin die klassische Rollenverteilung seit Generationen versagt. Was alles dazu gehört, wenn ein Paar sein Kind und seine Liebe in dieser Gesellschaft weiter zusammen tragen will, darüber berichtet dieses schöne Buch. Die beiden erzählen es so, als würde man ihnen gegenüber sitzen und als wäre es ganz normal, darüber zu schreiben. Ist es aber nicht. Denn über nichts wird mehr geschwiegen, als über das langsame Verblassen der Gefühle, das Aufkommen von Enttäuschung und Langeweile auf beiden Seiten. Stattdessen sind die Medien voll vom Aufschrei der Frauen „Ich will mein Leben zurück“ – oder von der angeblichen „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. “ Damit man sich sein Leben nicht erst zurückholen muss, sollen sich die Paare vorher fragen, wie sie leben wollen, was ihren Bedürfnissen entspricht und welche Spielräume sie haben. Und zwar als Personen und Individuen und nicht nur als Mann und Frau. Stefanie Lohaus gelingt es dabei auch mühelos und unterhaltsam jahrelang schwelende und Eltern verunsichernde Debatten wie die Glaubensfrage um das Stillen auf den Punkt zu bringen. Schlau nimmt sie manchen Studien schnell ihren Glanz:

“ Häh? Um auf die 65 Prozent reduziertes Brustkrebsrisiko zu kommen, müsste ich also mindestens vier Kinder jeweils etwa zweieinhalb Jahre stillen. Das wären dann insgesamt zehn Jahre Stillen. Wie soll man sein Leben da weiterleben?“

Sie schreiben beide sehr gut über alles, was man da als junge Eltern so erlebt. Es sind die großen Themen, Vorbereitung, Geburt, Gefühle während der ersten Zeit, Elternzeit, Ängste Sorgen, Zweifel.
Die Zwischentitel lauten „50/50 statt 90/60/90“ „Wird jede Mutter zur Glucke?“ „Wer hat den längsten Sauger“ und „Augenhöhe ist sexy“. Den Schluss bildet „Warum das 50/50 Prinzip das Leben schöner macht, und was getan werden muss, damit es sich weiter verbreitet“.
Stefanie und Tobias haben also eine andere Antwort gefunden und sind glücklich damit. Das ist ein Buch, das im Erzählen Mut macht und gleichzeitig aufklärt. Es ist für Paare, Söhne, Töchter, ganze Generationen. Man wünscht dem Buch viel Erfolg und einen anderen Umschlag ;-).

Stefanie Lohaus, geboren 1978, studierte Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Sie ist Gründerin und Herausgeberin des Missy Magazines und arbeitet als freie Journalistin. Bei ZEIT ONLINE erscheint ihre Kolumne „Das Prinzip 50/50“.

Tobias Scholz, geboren 1976, arbeitet seit dem Studium der Publizistik, Nordamerikastudien und Soziologie als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin. Seine Dissertation „Distanziertes Mitleid“ erschien 2012 beim Campus Verlag. Seit Herbst letzten Jahres ist er in Elternzeit und beobachtet mit Freude und Ringen unter den Augen die Entwicklung des gemeinsamen Sohnes Ari.

Cover_Lohaus_Scholz_Papa_kann_auch_stillen_300dpi_klein

Stefanie Lohaus, Tobias Scholz: Papa kann auch stillen. Wie Paare Kind, Job & Abwasch unter einen Hut bekommen, Verlag Goldmann Januar 2015, Taschenbuch, Klappenbroschur, 224 Seiten,  978-3-442-15831-7 €8,99

Kommentieren