„Windkraftbremse – dann sind wir raus!“

Jens Mühlhaus_Vorstand Green City Energy AG_589

Trotz Energiewende-Bremse im Koalitionsvertrag kann aus dieser Legislaturperiode noch etwas werden, findet  Jens Mühlhaus, Vorstand beim ökologischen Energiedienstleister Green City Energy aus München. Der ehemalige Umweltverein hat sich zu einem Unternehmen mit inzwischen gut 100 Mitarbeitern und einer Investitionssumme von 220 Millionen Euro entwickelt.

Mühlhaus war früher als Grüner in der Münchner Lokalpolitik engagiert. Doch das ging ihm zu langsam, er wurde Unternehmer. Wichtig sei jetzt, dass in der Bundespolitik wieder von Populismus auf Sacharbeit umgeschaltet wird, sagt Mühlhaus: Schafft die Politik einen festen Rahmen, werden sich gute Erneuerbaren-Projekte durchsetzen – auch ein Windpark in Bayern. Ein Interview von unserem Partner klimaretter.info

klimaretter.info: Herr Mühlhaus, das neue Bundeskabinett ist vereidigt, was sind Ihre Erwartungen?

Jens Mühlhaus: Was diese Koalition in ihrem Vertrag festgehalten hat, ist ganz klar eine Bremse für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Allerdings geben die Zuschnitte der Ressorts und ihre Personalien Anlass zur Hoffnung: Dass das Fachgebiet Bauen künftig zum Umweltministerium gehört, kann die energetische Gebäudesanierung voranbringen. Und den Energiebereich im Wirtschaftsministerium zu organisieren wird auch Entscheidungen beschleunigen.

Welche Personalien machen Ihnen Hoffnung?

Rainer Baake, der als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium für den Bereich Energie zuständig ist, und Jochen Flasbarth, der das Bundesumweltministerium managen soll. Beide sind ausgewiesene Fachleute und dafür bekannt, die Energiewende voranbringen zu wollen.

Es gibt einen Fahrplan: Bis Ostern soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert werden, wobei „reformieren“ bedeuten wird, dass die Tarife für erneuerbare Technologien weiter gekürzt werden. Was wäre für Ihr Unternehmen gerade noch verkraftbar?

Erst einmal ist wichtig, dass sich nach den Monaten des Parteiengezänks jetzt wieder die Fachleute mit dem Thema befassen. Richtig ist, dass unser Unternehmen ziemlich stark betroffen sein wird: Wir wollen Windenergie in Süddeutschland entwickeln! Die Koalitionäre haben sich darauf geeinigt, den Windkraftausbau zu zügeln und windarme Standorte weniger stark zu fördern. Auch Horst Seehofers Abstandsregelung steht im Koalitionsvertrag. Beide Male sind wir betroffen.

Was, wenn es so kommt?

Wir müssten uns von der Windkraft verabschieden. Allerdings nur auf Zeit; ich glaube nicht, dass eine solche Politik tragfähig ist. Gerade in Bayern und Baden-Württemberg wird durch den Atomausstieg große Kraftwerkskapazität vom Netz genommen. Die durch fossile Kraftwerke zu ersetzen – das kann nicht der Weg sein.

Angenommen, die Reform kommt zu Ostern tatsächlich und wird dann etwa zum Jahresbeginn 2015 Gesetz: Erleben wir bis dahin einen Windboom, wie das immer auch vor den Ankündigungen zur Solarkürzung der Fall war?

Definitiv nicht. Windkraftprojektierung dauert alles in allem oft an die drei Jahre. Es gibt hier anders als bei der Solarenergie kaum Möglichkeiten, im Verfahren Geschwindigkeit dazu zu gewinnen. Statt Beschleunigung erleben wir auf dem Markt ohne stabile Rahmenbedingungen eher das Gegenteil: Banken und Investoren halten sich mit Finanzzusagen zurück, weil derzeit überhaupt niemand einschätzen kann, wie sich ein Investment künftig refinanzieren lässt.

Obendrein hat jetzt die CSU in Bayern auch noch einen Windkraftstopp verhängt. Was steckt dahinter?

Ich halte die bayerische Landesregierung für sehr schlau, die CSU verhält sich extrem taktisch. Im Wahlkampf haben Seehofer und Co. populäre Themen gesucht, um Stimmen zu binden. Tenor: Wir sind gegen die generelle Autobahnmaut, für Ausländer aber schon. Bei der Energiewende sah das dann so aus: Man ist dafür, aber bitte mit unrealistisch großen Abständen zu Wohnbebauungen. Deshalb fordert die CSU eine Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch, um eigene Abstandsregelungen treffen zu können.

Wie wird die Sache ausgehen?

Ich glaube, der Bundesrat mit den grünen und sozialdemokratischen Landesregierungen wird perspektivisch an Bedeutung gewinnen. Die Initiative wird nicht durchgehen. Damit rechnet ja auch die CSU. Aber so kann Seehofer am Ende sagen: Seht’s, wir haben’s ja versucht! Wir haben als Volkspartei für die Wünsche der Menschen gekämpft.

Nun ist Green City Energy direkt betroffen, Sie sind gerade dabei, einen kleinen Windpark in Bayern zu bauen: fünf Maschinen mit je 2,4 Megawatt. Was bedeuten solche Vorstöße der CSU für Ihr Unternehmen?

Man muss extrem flexibel sein. Wir beschäftigen uns immer mit drei, vier Alternativen gleichzeitig. Zudem müssen wir sehr schlank aufgestellt sein und viel stärker als andere Industrieunternehmen von der Hand in den Mund leben. Wir brauchen ein dickes Fell.

Aber was heißt das für den Windpark?

Der wurde in der Zeit des Nachwahlkampfes genehmigt. Zurzeit errichten wir die Fundamente und bieten den Windpark als geschlossenen Fonds zur finanziellen Beteiligung an. Im Sommer 2014 soll der Park ans Netz.

Vor Wochenfrist sorgte ihr Konkurrent Prokon für Schlagzeilen, der – wie Sie teilweise auch – Kapital über Genussrechte akquiriert. Gibt es gute und schlechte Genussrechte?

So könnte man das formulieren. Es gibt ja auch gute und schlechte Versicherungen. Wir müssen unterscheiden: Einerseits gibt es Genussrechte, mit denen Unternehmen finanziert werden. Das ist eindeutig Risikokapital und man sollte das Unternehmen gut kennen. Wir geben neben Fonds teilweise auch Projekt-Genussrechte aus, um den Bau konkreter Erneuerbare-Energie-Anlagen zu finanzieren. Das bedeutet: Die Anlagen sind direkt und transparent über den Sachwert der Projekte abgesichert. Die Projekte befinden sich in einer eigenen GmbH und es gibt ganz klare Finanzmarktregeln, wir als Unternehmen kämen an das Geld gar nicht ran.

Auch das Wind-Prognose-Problem bestimmt über Erfolg oder Misserfolg eines Beteiligungsprojekts. Wie können Sie sicherstellen, dass die Windmenge, die Sie zugrunde legen, dann auch tatsächlich verstromt werden kann?

Durch Abschläge. Erstens gab es im Jahr 2011 eine generelle Abwertung von Windprognosen um fünf Prozent. Das ist natürlich nur eine Tendenz und bedeutet nicht pauschal, dass jetzt weniger Wind weht, aber es hatte einen Paradigmenwechsel im System zur Folge. Bis dahin hatten Gutachter teilweise versucht, möglichst optimistische Zahlen zu prognostizieren, um beauftragt zu werden. Nun wird mehr Wert auf konservative Prognosen gelegt. Auch die finanzierenden Banken achten zur eigenen Sicherheit auf realistische Gutachten.

Zweitens ziehen wir selbst zusätzlich zu den gewöhnlichen Abschlägen für Wartung, Rückbau et cetera noch einen erheblichen Sicherheitsabschlag von mehreren Prozentpunkten von dem prognostizierten Wert ab. Zum Beispiel könnte ein Windpark hinter unserem Projekt gebaut werden und so einen Windschatten auf unsere Windräder werfen. Solche und andere Unwägbarkeiten werden durch die Abschläge abgedeckt.

Die Mindestbeteiligung an dem Fonds Windpark Maßbach liegt bei 10.000 Euro, für Anwohner bei 2.000 Euro. Über eine Laufzeit von zehn Jahren soll er dem Anleger 155 Prozent der Anlagesumme zurückbringen. Was macht Sie sicher, dass Sie so ein Angebot halten können?

Gute, solide Arbeit. Wir haben eine sehr hohe Wiederanlegerrate. Wer uns einmal Geld anvertraut hat, wurde bislang nicht enttäuscht. Richtig ist aber: Auch wir müssen auf die Gutachter, die Expertenkritik der Banken und unsere zusätzlichen Sicherheitsabschläge vertrauen. Bislang ist beispielsweise wenig darüber bekannt, ob sich das Windangebot in Zukunft eventuell deutlich ändert.

Ich rate Anlegern immer, sich ein Investment gut anzuschauen: Wie ist das Unternehmen aufgestellt? Kann ich da mit jemandem reden? Wie hat eine Bankaufsicht das Projekt geprüft? Kann man im Büro vorbeikommen oder das Projekt selbst besichtigen?

6,3 Million Euro wollen Sie für den Windpark einsammeln, der Rest von rund 19 Millionen wird von Banken kofinanziert. Wie viele Mittel verwaltet Green City Energy insgesamt?

Inzwischen konnten wir insgesamt Investitionen von 220 Millionen Euro in erneuerbare Energien ermöglichen. Rund 80 Millionen Euro davon waren bislang Eigenkapital. Wir haben damit eine Anlagenkapazität von insgesamt rund 75 Megawatt projektiert und teilweise zugekauft.

Falls Sigmar Gabriel Sie morgen zum Kaffee einlädt – was würden Sie dem neuen Wirtschafts- und Energieminister sagen?

Dass der aktuelle Populismus dringend wieder von einer fachlichen Debatte abgelöst werden muss. Wir brauchen eine solide Basis, egal in welcher Form. Und er möge bitte nicht aus den Augen verlieren, dass fossile Energieträger endlich sind und die Kosten dafür steigen werden. Sigmar Gabriel möchte ja in die Geschichtsbücher eingehen – das sollte er besser als Macher und nicht als Verhinderer.

Interview: Nick Reimer

1 Kommentar zu “„Windkraftbremse – dann sind wir raus!“”

  1. Beppo Brem sagt:

    Danke dür dieses sachliche und intelligente Interview! Überzeugung, klare Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren, Beharrlichkeit und Pragmatismus sind der Erfolg für die Energiewende und den Klimaschutz! Beste Grüße Hermann „Beppo“ Brem

Kommentieren