Zwei Cent für den Wald

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Immer mehr Unternehmer ziehen sich öffentlich die grüne Weste an, um das Image ihrer Produkte zu verbessern. Außen hui – innen pfui, rufen die Verbraucherschützer. Über das Prinzip Green-Washing hat Sabina Karasin recherchiert.

Die Idee war perfekt: Umweltbewusste Bürger sollten mit ihrer Unterschrift die Bemühungen Vattenfalls um die Rettung von Mutter Erde unterstützen. Mit der Kampagne „Verbraucher gegen den Klimawandel“ hatte der Energiekonzern die Menschen aufgerufen, Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben. Viele, die unterschreiben wollten, erlebten ihr grünes Wunder: Als sie die Seite „Klimaunterschrift Vattenfall“ googelten, landeten sie auf der gleichnamigen Internetseite von Greenpeace. Die optisch identische Seite konfrontierte den Leser mit Sätzen wie „Lassen Sie sich nicht verkohlen! Vattenfall ist Deutschlands klimaschädlichster Stromanbieter“. Aus dem Vattenfall-Logo ragte ein rauchender Schornstein, der Unterschriftenzähler zeigte nicht die Anzahl der Personen an, die mitgemacht hatten, sondern die CO2-Menge, die Vattenfall seit dem Aufruf zu der Aktion ausgestoßen hat. 206 Millionen Tonnen.

Mit solchem Widerstand müssen Firmen rechnen, die wie Vattenfall zu offensichtlich an ihrem grünen Unternehmensprofil basteln und Greenwashing auf die Spitze treiben. Vattenfall ist kein Einzelfall. Greenwashing ist ein verbreitetes Phänomen. Auch wenn andere Firmen sich unverfänglicherer Methoden bedienen. Anzeigen werben schlicht mit Slogans wie „klimaschonend“ oder „klimafreundlich“. Der US-Mineralölkonzern ConocoPhillips wirbt für sein Tankstellennetz Jet mit dem Slogan „Klimaneutral tanken“. Zwei Cent pro Liter spendet Jet für die Aufforstung von Wäldern, wenn der Kunde eine Tankkarte für zwei Euro im Monat kauft. Die Deutsche Post bietet einen CO2-neutralen Versand namens Gogreen an. Der Kunde zahlt zehn Cent mehr, für einen Bruchteil des Geldes wird Regenwald in Costa Rica aufgeforstet.
„So wird eine Art Ablasshandel betrieben“, sagt Katja Mrowka, juristische Referentin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Rechtlich bewegen sich solche Anzeigen noch auf erlaubtem Terrain. Die Verbraucherzentralen rufen aber seit November 2009 dazu auf, Anzeigen und TV-Spots mit Greenwashing-Begriffen zu melden, prüfen dann die Fälle und gehen bei Bedarf juristisch dagegen vor. Opel musste eine Unterlassungserklärung abgeben, weil die Firma ein Auto mit dem Spruch „klimaneutraler CO2-Ausstoß“ beworben hatte.

Seit Jahren steigt das Umweltbewusstsein. Die Menschen wollen konsumieren, achten aber stärker darauf, ob Produkte klimafreundlich sind. Um Verbraucherwünsche zu befriedigen, bieten Unternehmen einen Hauch grünen Gewissens an: „Grüner Strom“, „umweltfreundliches Auto“ und „klimaneutrales Fliegen“. Dadurch soll auch das Image der Firmen aufpoliert werden. Eine Studie von Lobby Control, einer Initiative für Transparenz und Demokratie in Köln, hat ergeben, dass die Unternehmen in ihren Anzeigen meist nicht lügen, aber vom umweltschädlichen Kerngeschäft ablenken. Ulrich Müller, Vorstandsmitglied bei Lobby Control, nennt Grünwasch-Aktionen mit langfristiger Strategie „Deep Greenwashing“. Er erklärt: „Unternehmen wollen damit das Prinzip der Selbstkontrolle durchsetzen, um verbindliche Gesetze zu vermeiden.“ Firmen holen sich inzwischen auch professionelle Hilfe, um ihr Image grün zu färben. Viele Unternehmensberatungen haben sich auf grüne Kommunikation spezialisiert und bieten ihren Kunden auch eine spezielle Anti-Greenwash-Beratung an, damit Konsumenten gar nicht erst Verdacht schöpfen. Gut beraten war Vattenfall damals offensichtlich nicht. Anika Peters von Greenpeace jedenfalls bezeichnet die Unterschriftenaktion von Vattenfall als extrem dreist. Schließlich produziere Vattenfall in den ostdeutschen Braunkohle-Kraftwerken den schmutzigsten Strom in Deutschland mit dem höchsten CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde. Derzeit liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix der vier deutschen Energieriesen bei 0,1 bis 1,7 Prozent, wenn man die seit vielen Jahrzehnten bestehenden Wasserkraftanlagen heraus rechnet. Der Anteil grünen Stroms bei Vattenfall liegt in Deutschland bei 1,1 Prozent. Für die Regierung scheint das kein Problem zu sein. Der Chef von Vattenfall, Lars Göran Josefsson, ist seit 2006 Klimaberater der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel.

Artikel von: Sabina Karasin (erstmals erschienen in der Abschlusszeitung der Deutschen Journalistenschule)

Foto: (c) Andreas Schoelzel/Greenpeace

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