„Ein teurer Albtraum“

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Am Dienstag diskutieren Energieexperten und Politiker in der Reihe „Leitlinien-Debatte“ über die Frage, wie wir in München in eine klimagerechte Energiezukunft steuern können: Atomenergie oder Ökostrom – woher nimmt München seine Kraft? (Di., 5.10., 20 Uhr, Marienplatz-Untergeschoß, vor dem SWM-Shop) Im Vorfeld der Klimaschutz-Debatte hat Peter Oberstein mit Michael König über die Herausforderungen gesprochen, denen sich die Enerergiebranche gegenübersieht. König ist Bereichsleiter für nachhaltige Energieversorgung der K.GROUP, die Unternehmen und Gebietskörperschaften berät.

Michael König

Michael König

Der Wunsch der Verbraucher nach einer CO2-neutralen Stromerzeugung setzt Stormproduzenten und Politiker schon seit geraumer Zeit unter Druck. Schließlich hat die Entscheidung der Bundsregierung, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern noch einmal zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen geführt. Herr König, Sie beraten Energieunternehmen, Kommunen, aber auch Ministerien. Stellen Sie nach der Entscheidung der Bundesregierung für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke einen erhöhten Bedarf nach ihrem Fachwissen fest?

König: Ja, weil diese Entscheidung die Rahmenbedigungen verändert. Sie beeinflusst den Weg hin zu einer einhundertprozentigen Versorgung mit Strom aus regenerativen Energiequellen.

Inwiefern?

Weil zum Beispiel die lokalen Stromerzeuger mit Strom aus Kernkraftwerken, in welchen nicht alle Kosten wie Endlagerung einrechnet sind, konkurrieren müssen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen ändern sich somit, zum Nachteil für kleinere Markteilnehmer.

Auch für mittelgroße Stromproduzenten wie die Stadtwerke München?

Ich denke eher nicht. Die Stadtwerke wollen ja für ihr Ziel bis zu 100 Prozent Ökostrom anzubieten, diesen aus Windparks in der Nordsee beziehen. Die Investitionen dafür bleiben ja gleich.

Verzögert die Entscheidung für längere Laufzeiten den Zeitpunkt, an dem eine einhundertprozentige Versorgung mit Strom aus regenerativen Energiequellen möglich ist?

Bilanziell verzögert sie ihn nur, wenn der Vorrang der erneuerbaren Stromeinspeiser gekippt würde. Bei konstanter Nachfrage, kann durch mehr Strom aus Kernkraftwerken im Markt, weniger Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Kraftwärmekoppelung verkauft werden. Nur: Der Strom aus Kernkraftwerken würde, wenn sich die Bundesregierung durchsetzt, zehn bis fünfzehn Jahre weiterproduziert und angeboten werden.

Die Energieunternehmen, die ihn produzieren, erklären, dass Strom aus Kernkraftwerken notwendig sei, um die Grundlast im Stromnetz zu garantieren. Alternative Energieerzeugung wie Windkrafträder lieferten nicht kontinuierlich Strom, so dass es zu Engpässen oder einer Überkapazitäten komme, so die Argumentation.

Die Frage ist eigentlich eher: Will ich unbedingt eine Grundlast haben – brauche ich sie? Zunächst ist es so, dass es zum Beispiel Biogas- und Geothermieanlagen kontinuierlich Energie liefern. Mit Kombikraftwerken – das ist im Grunde eine intelligente Vernetzung von verschiednenen Kraftwerksanlagen wie Photovoltaik-, Windkraft- und Biogasanlagen, ist es möglich die Versorgung abzudecken. Wenn also Windstille ist, wird mehr Strom aus Biogas produziert. Dazu bräuchte man Kraftwerkstypen, die sich schnell zuschalten lassen, sollte Bedarf bestehen. Das wären Gaskraftwerke oder Pumpspeicheranlagen, aber sicher nicht Kernkraftwerke, die sich eben aus technischen Gründen nicht schnell hochfahren lassen. Die können nur kontinuierlich Strom liefern. Ich würde sagen, wir brauchen keine Grundlast, sondern eine flexible Energieversorgung.

Wenn ich Sie richtig verstehe, könnte man ohne Kernkraftwerke auskommen – eine entsprechende Investitionsbereitschaft vorausgesetzt.

Mit entsprechenden Investitionen ist alles möglich. Die Frage ist hier: Was kommt auf lange Sicht günstiger? Ressourcen, die wir importieren müssen, um Strom zu erzeugen oder solche, die nichts kosten? Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat vor einigen Wochen getitelt, „Der teure Traum“ und das auf die erneuerbaren Energien bezogen. Wenn wir aber weiter auf fossile Brennstoffen setzen, wird es ein teurer Albtraum.

In welche Bereich wird denn investiert?

Unternehmen, Fonds aber auch Bürger investieren in erneuerbare Energien. Neue Kernkraft- oder neue Kohlekraftwerke sind für deren Betreiber wirtschaftlich wertvoll.

Die vermehrte Einspeisung von regenerativer Energie zieht langfristig auch eine andere Netzarchitektur nach sich. Bisher war das Stromnetz für große Kraftwerke konstruiert, mit der Wandlung des Konsumenten in einen Prosumer, also in jemanden, der Strom konsumiert aber auch produziert, wandeln sich die Ansprüche. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Was die großräumige Netzarchitektur angeht, benötigen wir eine europaweite Lösung. Wir brauchen Hochspannungsleitungen, die den Strom aus einem Sonnenkraftwerk in Spanien oder aus einem Windpark in der Nordsee zu den Haushalten bringen. Hier besteht Handlungsbedarf. Was die Prosumer angeht, so braucht es eine andere Netzsteuerung, die das Angebot und Nachfrage nach Strom koordiniert, aber auch andere Netze, etwa wie IT-Netze, Glasfaserkabel etwa.

Kommen wir auf die Entscheidung der Bundesregierung zur Laufzeitverlängerung zurück. Wie wird sich diese, sollte sie Gesetz werden, auf die verschiedenen Maktteilnehmer auswirken – also wie auf die großen Konzerne, wie auf die mittelgroßen und wie auf die kleinen Stromanbieter?

Fangen wir bei den Konzernen an. Sie werden profitieren. Ihre Strategie ist es, durch große zentrale Anlagen, große Strommengen zu erzeugen und zu vermarkten. Aber eigentlich zögert eine Laufzeitverlängerung nur den Zeitpunkt hinaus, an dem diese Strategie nicht mehr funktioniert. Sie müssen sich langfristig umstellen.

Mittelgroßen Anbietern wird es auf lange Sicht ganz gut gehen, wenn sie bereits in erneuerbare Energien investiert haben. Man kann davon ausgehen, dass langfristig die Nachfrage gleich bleibt. Nur die kleinen Stadtwerke und vor allem die, die keinen Strom produzieren, sind gefährdet. Früher konnten sie an der Stombörse mit relativ stabilen Preisen rechnen, momentan sind sie aber so volatil, dass das Risiko gewachsen ist. Man kann sich dort leicht verzocken. Geschieht das bei kleinen Unternehmen, dann kann es für das Ende bedeuten. Wir raten zu Kooperationen.

Letzte Frage: Wie sehen denn aus Ihrer Sicht die Verbrauchen die Stromerzeugung. Ist ihnen das egal? Etwa so wie es früher hieß, Kernkraftewerke sind mir egal, bei mir kommt der Strom aus der Steckdose?

Alle Untersuchungen, die ich kenne, weisen daraufhin, dass die Mehrzahl der Konsumenten Strom aus erneuerbaren Energien wünschen.

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