Solidarische Landwirtschaft: Gelebter Klimaschutz von unten

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ein Gastbeitrag von Christine Vogt.

Wir leben in Zeiten, in denen wir es gewohnt sind, dass alles ständig verfügbar ist. In großen Supermarktfilialen können wir unabhängig von Tages- und Jahreszeit aus einem Überangebot von Lebensmitteln aller Art wählen und diese zu extrem günstigen Preisen kaufen. Doch das bleibt nicht ohne Auswirkungen: Um Lebensmittel derart billig und unabhängig von der Jahreszeit anbieten zu können, wird der größte Teil der globalen Landwirtschaft ohne Rücksicht auf Umwelt und Klima betrieben. Wasser, Böden und die Artenvielfalt leiden unter Monokulturen, Überdüngung und dem steigenden Einsatz von Agrargiften. Eier, Milch und Fleisch stammen aus Massentierhaltung, in der die arteigenen Verhaltensweisen der Nutztiere nicht ausgelebt werden können. Lebensmittel werden um den ganzen Globus transportiert, wobei Unmengen von klimaschädlichem CO² freigesetzt werden. Jedes Jahr landen in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Diese immense Verschwendung beginnt bereits auf dem Acker, denn wenn Produkte nicht den Anforderungen des Marktes an Größe, Form oder Farbe entsprechen, werden sie einfach untergepflügt. Bauern und Bäuerinnen sind abhängig von schwankenden Marktpreisen. Viele müssen ihre Höfe aufgeben, weil sie von dem wenigen Geld, das sie für ihre Produkte bekommen, nicht leben können.

Nachfrage nach ökologischen und regionalen Produkten steigt

Doch immer stärker regt sich Unmut über diese Form der Landwirtschaft, die die eigenen Existenzgrundlagen sabotiert. Angesichts der Klimakrise und der rasanten Ausbreitung von Agrarwüsten steigt deshalb die Nachfrage nach Produkten aus der eigenen Region. VerbraucherInnen wollen wieder wissen woher ihre Nahrung kommt, wie sie erzeugt wurde und wer hinter der Erzeugung steht. Immer mehr Menschen lehnen die industrielle Landwirtschaft ab und wünschen sich stattdessen nachhaltig wirtschaftende Bauernhöfe und Gärtnereien – und damit die viel beschworene „enkeltaugliche“ Landwirtschaft.

Als Antwort auf den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) entstanden. Hier steht die Versorgung der Region mit saisonalen Lebensmitteln im Vordergrund. Doch um Markt-Abhängigkeiten zu durchbrechen gehen Solawi-Betriebe sogar noch einen Schritt weiter: Sie bilden Kooperationen mit den VerbraucherInnen. Eine Gruppe privater Haushalte trägt in diesem genossenschaftlichen Modell die Kosten, die bei der Erzeugung der Lebensmittel anfallen. Im Gegenzug erhalten sie dafür einen Anteil des Ernteertrags. Die Mitglieder eines Solawi-Betriebs teilen sich mit den ErzeugerInnen also auch die Verantwortung und das unternehmerische Risiko für den Betrieb. Das solidarische Vorgehen beschränkt sich jedoch nicht auf die gemeinsame Finanzierung der Höfe. Auch unter den Mitgliedern wird in vielen Initiativen ein finanzieller Ausgleich erreicht, indem in einer Bieterrunde individuelle Gebote abgegeben werden. Das bedeutet konkret: Einer gibt mehr, der andere weniger. So wird niemand aufgrund fehlender finanzieller Mittel ausgeschlossen.

Die Mitgestaltung der Konsumenten wird auch durch regelmäßige Mitglieder-Versammlungen ermöglicht, bei denen Themen rund um den Hof oder die Gärtnerei besprochen werden. Außerdem haben die Mitglieder einer Solawi meist die Gelegenheit, bei anfallenden praktischen Arbeiten tatkräftig mitzuhelfen. Solche freiwilligen Arbeitseinsätze gibt es vor allem im Sommer. In vielen Solawi-Betrieben finden auch gemeinsame Aktionen und Feste statt.

Solawi-Betriebe zum Mitmachen finden

Es gründen sich immer mehr solcher Genossenschaften, die inzwischen viele Menschen mit frischen, saisonalen und regionalen Lebensmitteln versorgen. Wer Lust hat, selbst Mitglied bei einem Solawi-Betrieb zu werden findet hier einen guten Überblick über bestehende und sich in Gründung befindende Betriebe: www.solidarische-landwirtschaft.org. Eine der mitgliedstärksten Genossenschaften ist das Kartoffelkombinat in München. Daniel Überall, einer der Mitgründer des Kartoffelkombinats, sieht diesen Erfolg als Beweis dafür an, „dass man gemeinwohlorientiert wirtschaften und gleichzeitig Lebensmittel lokal und ökologisch produzieren kann“.

Zukunftsfähige Landwirtschaft

Solidarisch wirtschaftende Betriebe erzeugen regionale Lebensmittel und schaffen eine vielfältige, bäuerliche Landwirtschaft. Sie ermöglichen KonsumentInnen eine aktive Teilhabe an der verantwortungsbewussten Erzeugung von Lebensmitteln. Die Mitglieder gewinnen einen intensiven Einblick in anfallende Arbeiten und in finanzielle Belange eines nachhaltig wirtschaftenden Hofes. So entwickeln sie ein Gefühl dafür, welchen Wert Lebensmittel tatsächlich haben.

Weil die Produkte eines Solawi-Betriebs in der Region bleiben und ohne Zwischenhändler direkt an die VerbraucherInnen abgegeben werden, können große Mengen an Verpackungsmüll sowie lange Transportwege eingespart werden. Wer regionale und saisonale Produkte bevorzugt, isst also klimafreundlich. Nicht der Norm entsprechendes Gemüse wird nicht weggeworfen, sondern verzehrt. Die ErzeugerInnen haben durch die Abnahmegarantie ihrer Mitglieder Planungssicherheit. Etliche Solawi-Betriebe sind zudem stärker an qualitativem Wachstum und am Gemeinwohl orientiert als an kurzfristiger Rendite.

Setzt sich das Modell der solidarischen Landwirtschaft durch, werden zahlreiche agrarindustrielle Sprengsätze gleichzeitig entschärft – und die VerbraucherInnen bekommen auch noch besseres Essen auf den Tisch.

 

Über die Autorin:
Christine Vogt ist Referentin für Landwirtschaft und Gentechnik am Umweltinstitut München. Der Beitrag erschien erstmals im Programmheft des 10. Münchner Klimaherbstes, der vom 4. bis zum 28. Oktober stattfindet. Mehr dazu: Veranstaltungen des Klimaherbtes oder auf Facebook/klimaherbst und via Twitter.

 

 

(c) Beitragsbild: Flickr CC BY 2.0 von G123E123E123K123

 

 

 

 

 

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