“Und was isst du dann noch?!“ über das Leben einer intoleranten Veganerin

Lebensstile

Wenn man jemandem mitteilt, kein Schnitzel zu essen, weil man kein totes Tier auf dem Teller haben will, ist der Schrecken der fleischliebenden Beteiligten oft groß. Dann anzuschließen, man würde die Semmelknödel auch nicht essen, weil diese Eier und Milch beinhalten, lässt die Glubscher der Anwesenden beinahe schon rauskugeln. Wenn man jetzt auch noch nebenbei erwähnt, dass man von dem Obst und Gemüse, das dann wohl nur noch übrig bleibt, auch noch einen Teil gar nicht essen kann, weil man fructoseintolerant ist, hört man in den fremden Ohren schon den Krankenwagen tröten.

Wie, oh wie, lebe ich nur immer noch? Weshalb, um Himmels Willen, suche ich mir dieses Schicksal auch noch selbst aus?

Essen bei Mama und Papa

Seit fünfeinhalb Jahren esse ich kein Fleisch mehr, seit bald zwei Jahren ernähre ich mich zu fast 90 Prozent vegan. Die restlichen 10 Prozent spare ich mir auf für Butterbrezen, gelegentliche Kuchen und Restaurant- und Familienbesuche, bei denen ich mir mein Essen nicht aussuchen kann oder nicht zickig sein will. Dass man mir kein Fleisch auf den Teller setzt, empfinde ich als entgegenkommend genug.

Auch das Gesicht meiner Mutter zu sehen, wenn ich die liebevoll zubereiteten Semmelknödel (mein früheres Lieblingsgericht) esse ohne zu bemängeln, dass ich sie ein bisschen eklig finde, möchte ich nicht missen. Der Ausdruck der traurigen Verzweiflung auf den Zügen meines Vaters, wenn ich ihm mitteile, dass ich seine Hühnersuppe definitiv nicht essen will und werde, tut nämlich auch nach fünf Jahren noch weh; daher beiße ich gelegentlich brav von einem Käsebrot ab. Das sind die Opfer, die man so bringt.

Fructose Intoleranz

Dass ich letzten Sommer nach gut einem Jahr Magenbeschwerden mit Fruchtzucker-Malabsorbtion diagnostiziert wurde, verschärft die Lage allerdings noch etwas. Wieder einmal bin es nicht ich, die sich eingeschränkt fühlt: Ich weiß, was ich gut vertrage, dass ich an Äpfeln nicht einmal riechen darf und nach einem Glaserl Alkohol zwei Tage flach liege. Interessanterweise scheinen meine Bekannten aber der Meinung zu sein, dass man mit Wasser und Tee statt Cola und Bier sehr traurig sein muss. Gelegentlich schnappe ich auch angenervte Seufzer auf, wenn ich mein “stilles Mineral mit einer Scheibe Zitrone” bestelle, während sich der Rest eine Weißweinschorle gönnt. Als wäre mein Leben eine einzige Ausrede: Immer diese Intoleranten mit ihren hausgemachten Intoleranzen! 

 

Knödelgröstel mit Bratensoße

Dass Unverständnis ein täglicher Begleiter ist, daran gewöhnt man sich. Ständig erklären zu müssen, was man nun isst und was nicht, wo man mal ein Auge zudrücken kann (Butterbrezen eben) und was man definitiv nicht zu sich nimmt (tote Tiere) gehört zum täglichen Leben mit dazu. Das nimmt man in Kauf für einen gesünderen, tier- und umweltgerechten Lebensstil.

Fast unangenehm wird es allerdings, wenn man automatisch bei jedem gemeinsamen Essen erklären muss, weshalb man das nun alles nicht isst und was man dann denn überhaupt noch essen kann. Um dann erklären zu dürfen, dass es sehr wohl einen Grund hat, nicht nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen.

Entgegen populärer Überzeugungen bedeutet vegane Ernährung nämlich nicht, über rohem Gemüse zu verenden, sondern macht das Kochen erst interessant. Plötzlich hat man zig neue Zutaten, die man bei “Schnitzel mit Stärkebeilage” nicht braucht.

Unverständnis ist meist ärgerlich, kann oft aber auch zu teils amüsanten Begegnungen führen:

  • Trotz ausführlichen Erklärungen passiert es mir gelegentlich, dass mein “Knödelgröstel ohne Speck”, das mir der bemühte Kellner mit stolzem “Ich-hab-dir-extra-was-Vegetarisches-gemacht”-Grinsen serviert, definitiv in fleischgetränkter Bratensoße schwimmt.
  • Gelegentlich passiert es mir auch, dass sich eine Bäckerin weigert, mir Brot zu verkaufen, weil sie mich auf die Frage nach veganem Gebäck (selbstverschuldet, ich hätte einfach sagen sollen “ohne Milch”) panisch aus ihrem Laden wedelt, da sie nur “unveganes Mehl” verwende und damit in der Backstube auch alles eigentlich “vegane Mehl” sofort verseucht wäre. Gluten sei Dank darf ich mir in solchen Situationen aber meist für meine definitiv “unvegane Mutter“ was mitnehmen.
  • Die Deutschen haben zum Glück verstanden, dass Vögel auch Lebewesen sind, die sterben müssen, wenn man sie essen will. Viele andere Länder wissen das aber leider nicht und servieren Vegetariern gerne mal Hühnchen. Das zu klären, wird dann meist wirklich interessant. Nichtsdestotrotz, auch in Deutschland trifft man auf Speisekarten unter der Kategorie “Vegetarisch” häufig noch Lachs und Garnelen an. Spannend!
  • Nicht selten passiert es mir, dass ein euphorischer Freund im Restaurant mal schnell zur Feier des Tages einen Strawberry-Daiquiri für mich bestellt, und selbst auf panisches Abwinken meinerseits und Zurufe zur Kellnerin, mir bitte keinen zu bringen, und sehr deutlichem “ich DARF das NICHT” darauf besteht, dass ich mittrinke. Meistens trinkt der euphorische Freund am Ende etwas weniger euphorisch alleine.

 

Schwammerlsalat mit Speckwürfeln

kein Fleisch essen

Viel unangenehmer sind solche sozialen Zusammentreffen, in denen nach der üblichen vorangehenden “Und was isst du dann?!”-Diskussion kein Interesse oder Verständnis folgt, sondern eine raue Debatte darüber, wer nun Recht hat. Ich werde immer von Studien und globalen Lageberichten zu den negativen Auswirkungen der Fleischindustrie auf unser Klima und der niemals ganz artgerechten Haltung von Nutztieren berichten.

Als Veganerin streitet man nicht, weil…

ein waschechter Fleischesser daraufhin gerne mit Argumenten wie “Pflanzen sind aber auch Lebewesen”, “dein Soja ist aber auch scheiße für die Umwelt”, “was machen wir dann mit den ganzen Rindern, wenn sie keiner mehr isst” sowie meinem Favoriten “Fleisch schmeckt aber” kontert und dabei IMMER gewinnt. Das ist ein Fakt, gegen den man nicht ankommt. Deswegen streitet man gar nicht erst.

Ein bisschen mehr Respekt bitte:

Im Grunde ist es mir auch egal, wenn jemand Fleisch isst. Ich bin aus persönlichen Überzeugungen vegan, das hat mit mir zu tun und gar nichts mit dir. Das eine ist dein Ding, und das andere ist eben mein Ding. Ich toleriere deine Meinung… und du bitte auch meine.

 

Seitanschnitzel und stilles Wasser

Soja statt Milch

Oftmals versucht man mir in Restaurants oder beim Essen bei Bekannten Fleisch oder sogar Obst unterzujubeln, so nach dem Motto “was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß”. Also du obstwütiger Fleischtiger, aufgepasst: Dass dein Steak lecker gewürzt ist und zart zubereitet, glaube ich dir und das freut mich auch ehrlich für dich. Aber das wird mich nicht dazu bekehren, wieder Fleisch zu essen. Wenn ich nicht esse, bedeutet das nicht, dass ich deine Kochkünste nicht zu würdigen weiß oder dich ärgern will – Ich verfolge lediglich eine Vision, die mir persönlich sehr wichtig ist (beziehungsweise verfolge ich eine Diät, mit der ich meine Gesundheit garantiere).

Tatsächlich ist es mir unangenehm, ständig mit allen über Essen zu reden – als gäbe es sonst nichts Interessantes auf der Welt.

Wenn du Apfelsaft trinken kannst, freut mich das für dich, und wenn du Käsefondue essen willst, dann mach das doch gerne. Aber sei bitte nicht böse, wenn ich nicht dabei bin. Lass doch einfach mal vergessen, dass wir alle Vorlieben haben und Lebensstile leben, die andere vielleicht ein bisschen komisch finden. Aber was soll es, oder? Am Ende macht uns genau das doch nur wieder menschlich.

 

Bildercredits: Unsplash.com; Jon Tyson, Epicurrence, Annie Spratt & Rawpixel

Kommentieren